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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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Patina angesetzt und sah jetzt, da die Umgebung von Unkraut gesäubert war, wertvoller und lebendiger aus denn je. Der Himmel war klar; zwischen den Wipfeln der Bäume segelten nur ein paar hauchzarte Kumuluswolken.
       Der Garten, der einst klein und überschaubar war, entfaltete sich wie eine Papierblume im Wasser vor Kazus Augen und wurde zu einem ausgedehnten Park voller Rätsel und Geheimnisse. Hier konnten Pfanzen und Vögel noch ungestört leben. Der Garten war erfüllt von Dingen, von denen Kazu nichts wußte. Tag für Tag lernte sie etwas Neues kennen und machte es sich zu eigen, indem sie es gleichsam zwischen den Fingern zerrieb. Täglich entdeckte sie Neues, Unbekanntes – der Vorrat schien unerschöpfich, und Kazu war zumute, als berge der Garten unermeßliche Reichtümer.
       Kazu schritt durch die Strahlenbündel der Sonne zu der Bank neben dem schmalen Pfad. Dort ließ sie sich nieder und begann, Yamazakis Brief zu lesen.
       »Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Zeilen und für Ihre Einladung zum Bankett anläßlich der Wiedereröfnung des Setsugoan. Vielleicht steht es mir nicht zu, Ihnen zu gratulieren, aber ich möchte meine Lage für einen Augenblick vergessen und Ihnen meine aufrichtigen Glückwünsche aussprechen.
       Ihr Brief berührte jene traurige Begebenheit, die sich vor kurzem ereignet hat, mit keinem Wort, sondern sprach ausschließlich vom Garten und seiner Instandsetzung. Ich glaube, Ihnen nachfühlen zu können, was Sie dazu veranlaßt hat, mir in dieser Weise zu schreiben.
      Wenn ich daran denke, daß Ihr Vertrauen in Ihre Menschenkenntnis im letzten Jahr stark erschüttert wurde, daß Sie die Ruhe Ihres Herzens gegen Unruhe eingetauscht und statt Glück nur Bitterkeit, statt Liebe nur Selbsterkenntnis geerntet haben, daß Sie dort aufhörten, wo Sie anfangen wollten, und dort wiede anfngen, wo Sie dachten, es sei zu Ende, wenn ich daran denke, daß der Preis für all ihre Opfer nur friedvolle Ungewißheit war – dann kann ich, meiner Natu nach, nur mit großem Respekt, und nicht mit Mitleid, an Sie denken. Wenn ich jetzt zurückblicke, überlege ich manchmal, daß Sie und Herr Noguchi glücklich hätten werden können, wenn die Wahl nicht gewesen wäre. Aber es schein mir auch, daß die Wahl nicht wirklich ein Unglück war, denn sie hat ja nu ein scheinbares Glück zerstört und Ihnen und Herrn Noguchi dazu verholfen einander Ihr wahres Ich zu entdecken. Ich selber bin schon so lange im Moras der Politik versunken, daß ich ihn fast liebgewonnen habe. In der Politik ist es die Verderbtheit, die den Menschen reinigt; und Scheinheiligkeit enthüllt of mehr vom menschlichen Charakter als halbherzige Ehrlichkeit; Laster können sogar – wenn auch nur für einen füchtigen Augenblick – Vertrauen erwecken Im Wirbel der Politik verschwimmt vor unseren Augen das, was man gewöhnlich ›menschliche Natur‹ nennt – wie man in einer Wäscheschleuder die einzelnen Stücke nicht mehr unterscheiden kann, weil die Trommel zu schnell rotiert Diesen Wirbel liebe ich. Es ist nicht unbedingt eine Reinigung; aber es läßt einen vergessen, was man vergessen darf und kann. Es übt eine Art Rausch aus. Und aus diesem Grunde werde ich mein Leben lang nicht von der Politik loskommen gleichgültig, was für Fehlschläge ich noch erleiden und in welch entsetzliche Lage ich auch kommen mag.
       Sicher war es für Sie das Richtige, sich wieder dem warmen tätigen Leben zuzuwenden. Wie es auch für Herrn Noguchi richtig sein wird, wieder zu seinen Idealen und seiner Gerechtigkeitsliebe zurückzukehren. Es mag grausam klingen Aber von einem unbeteiligten Dritten aus gesehen, hat nun alles wieder seinen Platz gefunden – die Vögel sind in ihre Nester zurückgekehrt . . .
       Der Winter scheint ungewöhnlich milde zu werden; dennoch möchte ich Sie bitten, auf Ihre Gesundheit zu achten. Nach den seelischen und körperlichen Anstrengungen der letzten Monate haben Sie sich unverzüglich wieder in die Arbeit gestürzt. Die Geschäftigkeit wird Sie vielleicht ablenken, aber ich hofe daß Sie trotzdem Rücksicht auf Ihre Gesundheit nehmen.
    Ich nehme Ihre Einladung zum Eröfnungsbankett mit Freuden an.«
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