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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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Raum in japanischem Gewand. Unbefangen begrüßte er Kazu und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch.
       Kazu blieb in aufrechter Haltung sitzen und musterte sein häßliches Gesicht: Es sah aus, als sei es aufs Geratewohl aus dicken Tonklumpen geformt. Fleisch schien wider Fleisch zu streiten. Seine rötliche Gesichtsfarbe deutete auf eine geradezu widerliche Vitalität hin. Seine Augen, die von unzähligen Falten umrahmt waren, blickten herausfordernd und nackt. Hinter den wulstigen Lippen klapperten die blendend weißen Zahnreihen seines falschen Gebisses.
       Kazu, die sein Gesicht noch immer unverwandt anstarrte, sagte nur ein einziges Wort: »Satan!«
       »Ist das alles, was du mir zu sagen hast?« fragte Genki grinsend.
       »Feigling! Scheusal! Du bist der größte Schurke von allen. Bestimmt hast du auch hinter dieser Broschüre gesteckt – Das Leben der Frau Noguchi Yuken –, du brauchst es gar nicht erst zu leugnen! In dir steckt nicht der kleinste Funken eines Gewissens! Du stinkst mehr als die Würmer der Kloaken. Du Pest der Menschheit! Du Misthaufen! In dir ist so viel Dreck angesammelt, wie kein anständiger Mensch sich vorstellen kann. Wie kommt es nur, daß du noch nicht in deinem eigenen Unrat erstickt bist! Ich könnte dich in Stücke zerreißen, und dann wäre ich immer noch nicht zufrieden!«
       Kazu hatte sich beim Sprechen mehr und mehr erregt; sie wurde durch ihre eigenen Worte mitgerissen. Ihr Gesicht war gerötet, ihr Mund trocken, und die Tränen rannen ihr vor Wut unaufhaltsam über die Wangen, während sie ihn schluchzend beschimpfte. Ihre Hand schlug mit solcher Wucht auf den Tisch, daß ihr Türkisring fast zersprang. Es wäre ihr gleichgültig gewesen, denn es war ja nicht der Diamantring. Den trug sie nie, wenn sie mit ihrer Liste herumging . . .
       Genki ließ ihren Wutausbruch über sich ergehen; ab und zu nickte er zustimmend mit dem Kopf und sagte: »So, so!« oder »Ist das so?« Aber plötzlich sickerten unbegreificherweise Tränen aus seinen Augen und rollten über seine dicken, faltigen Wangen. »Ja, ich kann dich verstehen«, sagte er mit tränenerstickter Stimme. »Sprich es nur aus. Rede dir nur alles vom Herzen!« E ballte die rotbehaarten Hände zu Fäusten und fuhr sich damit über die Augen Mit der weinerlichen, süßen Stimme einer alten Amme, die ein Kind in de Wiege schaukelt, sagte der häßliche greise Mann: »Ich weiß, ich weiß! Du has viel durchgemacht! Wie mußt du gelitten haben!«
       Er streckte liebevoll seine Hand über den Tisch und tätschelte Kazus vo Schluchzen bebende Schulter. Kazu sah die Geste nicht, weil sie mit beiden Händen ein Taschentuch vor das Gesicht hielt. Aber als sie die Berührung spürte wehrte sie seine Hand mit der Schulter ab.
       »Schon gut. Ist ja alles wieder gut.« Seine Stimme klang jetzt nur gedämpf zu ihr hinüber, da er sich vornübergebeugt und den Kopf unter den niedrigen Tisch gesteckt hatte, um mit der Hand nach dem Päckchen zu angeln, das in einem lilafarbenen Seidentuch vor Kazus Knien lag. Genki legte das Päckchen auf seinen Schoß, wickelte es aus dem Seidentuch und blätterte langsam in de Liste, die in japanischer Art gebunden war. Sogar beim Umblättern fuhr er sich immer wieder mit dem Handrücken über die Augen.
       Nach einiger Zeit bemerkte Kazu, daß er auf die Klingel drückte. Sie setzte sich schnell mit dem Rücken zum Eingang und nahm das Taschentuch vom Gesicht da sie sich vor dem Mädchen genierte.
       »Bring mir Schreibzeug!« befahl Genki der Eintretenden. Nach kurzer Zei erschien sie wieder und begann, die Tusche zu reiben. Kazu versuchte, ihre Tränen zu verbergen, und öfnete die Puderdose, um ihr Gesicht in Ordnung zu bringen. Das ungewöhnliche Schweigen und die Tränen der beiden Gäste verwirrten das Mädchen, und sie verschwand sofort, nachdem sie mit dem Tuschereiben fertig war.
       Dreihunderttausend Yen. Nagayanza Genki, schrieb er in seiner schönen füssigen Handschrift hinein. Dann nahm er einen etwas zerknitterten Scheck aus seiner Brusttasche und schob ihn zusammen mit dem Büchlein zu Kazu hinüber. »Dies ist nur der Anfang«, sagte er. »Morgen im Laufe des Vormittags werde ich mit Herrn Yamanashi von der Goi-Bank sprechen und ihm ein ordentliches Stück Geld aus der Tasche ziehen. Damit sühne ich meine Sünden wenigstens etwas. Was ich getan habe, geschah ja nicht aus Haß gegen dich! Ich werde gleich morgen früh bei Yamanashi
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