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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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Kopf, der nach der Wahl fast völlig weiß geworden war, und die hintere Naht seines Kimonos zwischen den mageren, aber noch geraden Schultern. Wie üblich saß die Naht schief, weil er den Kimono nachlässig angezogen hatte. Sein Rücken schien jedoch entsetzlich weit von ihr entfernt, und sie wußte, daß ihre Hände ihn nie mehr erreichen konnten, selbst wenn sie ihm die Naht hätte zurechtrücken wollen.
       »Ich bin über dein Handeln unterrichtet«, sagte Noguchi nach einer Weile ohne sich zu rühren. »Von dir aus gesehen, war das vielleicht unvermeidlich, abe für mich bleibt es unverzeihlich. Du hast mich hintergangen.«
       »Was willst du damit sagen?« Ihre Frage klang so herausfordernd, daß Noguchi über ihre Stärke erschrak. Aber im nächsten Moment merkte er, daß e ihre Worte nur mißverstanden hatte. Er wandte sich zu ihr und erklärte es nähe Seine Stimme verriet nicht die geringste Erregung, er sprach ruhig und gelassen Aber Kazu spürte doch seine tiefe Erschöpfung, die in seltsamem Gegensatz zu seinen gewählten Worten stand.
       Noguchi war der Meinung, daß es im menschlichen Handeln keine Divergenz geben dürfe – sowohl in der Liebe wie in der Politik. Er war überzeugt, daß allem menschlichen Handeln ein und dasselbe Prinzip zugrunde liege und daß Politik, Liebe und Moral, genau wie die Sterne, Naturgesetzen unterworfen seien. Infolgedessen war für ihn der Treuebruch in dem einen Bereich genau das gleiche wie ein Treuebruch in dem anderen. Beides war Verrat am Prinzip Die politische Treue einer Ehebrecherin und der politische Treuebruch eine keuschen Frau waren beide in gleicher Weise unmoralisch. Aber das schlimmste war, daß ein Betrug auf den anderen übergrif, so daß schließlich alle Prinzipien zusammenbrachen. Nach dieser alten chinesischen Staatsphilosophie kam Kazus Versuch, bei den politischen Feinden ihres Mannes um Geldspenden zu bitten, einem Ehebruch gleich. Mit anderen Worten: Für Noguchi hatte sie mit diesen Männern geschlafen.
      Verwirrt hörte sie ihm zu. Sie begrif nicht, was er meinte. Auch war sie im Grunde vollkommen von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt – ebenso überzeugt, wie Noguchi von der Richtigkeit seines Gedankenganges war.
       Der Verlauf dieser Unterredung nahm Noguchi jede Hofnung. Er verzichtete auch darauf, einzelne ihrer Handlungen zu korrigieren. Daß Noguchi erst so spät zu der Erkenntnis gelangte, es sei zwecklos, Kazu ändern zu wollen, zeigte, wieviel Optimismus in diesem aufrichtigen Mann steckte. Noguchi war noch immer so von seiner eigenen Rechtschafenheit geblendet, daß er nicht imstande war, das Wesen der Dinge zu durchschauen. Warum hatte er Kazu zur Frau genommen? Vielleicht weil er unbewußt von dieser Frau erwartet hatte, sie würde die Grundsätze, von denen er so fest überzeugt war, entweihen?
       Er ärgerte sich auch darüber, daß Kazu sich zwar den Anschein gegeben hatte, als ginge sie auf seine Erziehungsversuche ein, es aber in Wirklichkeit in keinem einzigen Punkt getan hatte. Kazu vermochte jedoch nicht zu erkennen, daß ihr Mann sie lediglich aus grundsätzlichen Erwägungen erziehen wollte – sie hatte es für ein Zeichen seiner Liebe gehalten, zumal sie wußte, daß es im allgemeinen unmöglich ist, einen reifen Menschen erziehen oder ändern zu wollen. Deshalb hatte sie das Leuchten in den Augen ihres Mannes, das in Wirklichkeit seiner Begeisterung für ein unmögliches Vorhaben entsprang, stets für ein Zeichen seiner Liebe gehalten. Diese Liebe hatte sie freimütig mit sanfter Fügsamkeit erwidert. Aber gegenüber seinen logischen Erwägungen und seiner Leidenschaft für das Unmögliche blieb sie taub.
       Noguchi mußte von Anfang an erkannt haben, daß Kazu ein Mensch war, der ständig in Bewegung sein und ständig Aktivität entwickeln mußte, ein Mensch, der sich mit angeborener Leidenschaft und ganzer Kraft in ein Vorhaben stürzte. Denn für ihn lagen Kazus Reize zweifellos gerade in diesen Eigenschaften, die die pädagogische Begeisterung eines gewissenhaften Mannes wie Noguchi geradezu herausforderten.
       Noguchi verlangte von Kazu, daß sie seine Grundsätze gewissenhaft befolge; Kazu hingegen war nicht so anmaßend, zu hofen, Noguchi möge auch die ihren befolgen. Und darin lag die Einsamkeit, lagen die Wurzeln und die Grenzen ihrer Lebenskraft: sie wußte, wenn auch nur verschwommen, daß sie nur so handeln konnte, wie es ihren Grundsätzen entsprach. Sie konnte sich
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