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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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und leuchtete dort auf. Es waren etwa fünf, sechs Boote auf dem Wasser.
      Die Böschung des Teiches war mit schmalen Weidenblättern übersät, manche waren schon gelb, manche noch hellgrün. Diese abgefallenen Blätter wirkten frischer als die verstaubten Büsche, in denen einige Papierfetzen hingen.
      Die beiden begegneten einer Gruppe von Schülern, die einen Langlauf machten. Alle trugen den gleichen weißen Trainingsanzug. Sie schienen bereits einige Runden hinter sich zu haben. Die Art, wie sie stirnrunzelnd nach Luft rangen, erinnerte an die Ashura-Statue des Kofukuji-Tempels. Ohne nach rechts oder links zu sehen, rannten sie an Kazu und Noguchi vorbei, und bald hörte man nur noch das dumpfe Tappen ihrer Turnschuhe. Einer der jungen hatte ein rosa Frotteetuch um den Hals geschlungen, das noch lange aus der kahlen Allee zu ihnen herüberleuchtete.
      Noguchi konnte sich nicht enthalten, Kazu darauf aufmerksam zu machen, wie viele Jahre – beinahe ein halbes Jahrhundert – zwischen ihm und diesen jungen lagen. »Großartig! Diese jungen sind einfach großartig! Ich habe einen Freund, der als Führer zu den Pfadfndern gegangen ist. Ich fand es damals sehr dumm von ihm, seine Zeit damit zu vergeuden. Aber nun kann ich verstehen, weshalb er sich so für diese Aufgabe interessiert.«
    »Ja, Kinder sind so rein und unverdorben«, meinte Kazu zustimmend. Aber sie fühlte nicht eine Spur von Neid, als sie die jungen am anderen Ufer betrachtete. Noguchis Ansicht erschien ihr ein wenig platt und einfach.
      Beide blickten den jungen, deren Schatten sich im Wasser spiegelten, noch eine Zeitlang nach. Im Hintergrund ragten, fnster und melancholisch, die Hochhäuser von Ueno-Hirokoji auf, und zwei tomatenrote Ballons schwebten am Himmel, der dort hinten dunstig vom Rauch der Fabriken war.
      Kazu bemerkte plötzlich, wie abgenutzt die Ärmel von Noguchis Mantel waren. Sie hatte den Eindruck, als ob alles, was sie an ihm entdeckte, ein ofener Vorwurf gegen sie sei. Aber diese traurige Entdeckung gehörte einem Bereich an, der sich ihren helfenden Händen entzog; denn Noguchi schien jede Zudringlichkeit zurückweisen zu wollen.
       Er hatte ihren Blick bemerkt und feinfühlig gedeutet: »Sie sehen sich diesen Mantel an? Den habe ich mir 1928 in London machen lassen. Finden Sie nich auch, daß einem alte Sachen ans Herz wachsen können?«
       Sie überquerten die Benten-Insel, die ringsum von Lotuspfanzen umgeben war, gingen durch den Eingang des Gojo-Tenjin-Schreins und wanderten langsam den Ueno-Hügel hinauf. Die zarte Silhouette der kahlen Bäume hob sich wie eine Glasmalerei von dem blauen Winterhimmel ab. Während sie imme wieder den Himmel betrachteten, gelangten sie schließlich zu dem altmodischen Eingang des Seijoken-Restaurants.
       Der Grill war um die Mittagszeit nur wenig besucht. Noguchi bestellte ein Menü, und Kazu schloß sich ihm an. Von ihrem Tisch am Fenster aus sahen sie den Glockenturm eines alten Tempels. Glücklich über den geheizten Raum meinte Kazu: »Das war ein kalter Spaziergang.«
      Aber dieser kalte Spaziergang hatte einen großen Eindruck auf sie gemacht da sie nur ihren geschäftigen Alltag als Wirtin kannte. Er hatte eine leichte Verwunderung in ihr ausgelöst. Sie machte sich selten die Mühe, ihre Handlungen zu analysieren, es war vielmehr ihre Eigenart, erst hinterher übe alles nachzudenken. Dann konnte sie manchmal in Tränen ausbrechen, während sie mit anderen Leuten sprach und im Augenblick gar nicht wußte, weshalb sie weinte. Aber die Tränen perlten hervor, ohne daß sie ihre eigenen Gefühle verstand.
       Noguchi entschuldigte sich nicht, daß er Kazu bei dieser Kälte zu einem Spaziergang genötigt hatte. Daher konnte Kazu nicht umhin, ausführlich zu betonen, wie schön dieser Spaziergang, trotz der Kälte, gewesen sei. Am Schluß ihrer langen Rede, als gerade das Vorgericht gebracht wurde, warf Noguch lakonisch ein: »Das freut mich.« Sein Gesicht blieb unbewegt, als er dies sagte und doch sah er irgendwie glücklich aus.
       Kazu war noch nie einem solchen Mann begegnet. Sie kannte viele wortkarge Gäste, und sie war stets die Gesprächigere gewesen. Aber es kam ihr so vor, als ob ihr Noguchi gerade durch seine Schweigsamkeit überlegen blieb. Sie konnte sich nicht erklären, daß einem so alten Mann, der in allen Dingen schlicht und einfach war, eine solche Kraft innewohnte.
      Wenn das Gespräch stockte, sah Kazu sich im Raum um. Sie
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