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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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schäbiger Hundehütten in den verschiedensten Formen – einige waren länglich wie Hühnerställe, andere sahen aus wie die üblichen Hütten für Wachhunde – standen in buntem Durcheinander innerhalb der Umzäunung. Manche waren umgestürzt. Anscheinend zogen die angeketteten Hunde ihre Hütten hinter sich her. Auch die Bewohner gehörten den verschiedensten Rassen an: neben einem wohlgenährten großen Hund stand ein kleiner magerer, ausgehungerter, und daneben einer, der die Räude hatte. Alle jaulten jämmerlich und mitleiderregend. Im Hospital war man allem Anschein nach an das Gejaule der Hunde gewöhnt, denn niemand nahm Notiz davon. Hinter dem Zwinger war ein dreistöckiges altes Gebäude mit einer Reihe kleiner, düsterer Fenster: das Laboratorium. Die Scheiben spiegelten den bewölkten Himmel wider und sahen aus wie trüb gewordene Augen, die jede Spur von Neugier verloren hatten.
       In Kazus Herz regte sich Mitleid, während sie auf das traurige Gejaule de Hunde lauschte. Sie war erstaunt, wie empfndsam sie geworden war. »Die armen Hunde! Diese armen Tiere!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie überlegte verzweifelt, ob es kein Mittel gebe, die Hunde zu retten. Das half ih über die Qual des Wartens hinweg.
      Als Noguchi endlich erschien, traf er Kazu mit tränennassem Gesicht an. »Is er tot?« fragte er, als er ihr Gesicht sah. Sie verneinte es, war aber so verlegen, daß sie ihm die Ursache ihrer Tränen nicht erklären mochte.
       Noguchi schien es eilig zu haben. Einfältig fragte er, ob sie auf jemanden warte.
       »Nein«, antwortete Kazu mit Nachdruck, und endlich erschien ein Lächeln auf ihren wohlgerundeten Wangen.
       »Das trift sich gut. Ich mache nur schnell meinen Besuch bei Tamaki. Bitte warten Sie hier auf mich. Ich habe nichts weiter zu tun und nehme an, daß Sie ebenfalls etwas Zeit haben. Gefährten im Müßiggang – das sind wir wohl. Lassen Sie uns in die Stadt gehen und zusammen essen.«
      Als die beiden den steingepfasterten sanften Hang hinter der Universitätsklinik hinuntergingen, teilten sich die Wolken, und die Strahlen der Sonne ergossen sich hell und klar wie Wasser über die Landschaft.
       Kazu hatte ihren Wagen warten lassen, da aber Noguchi lieber zu Fuß gehen wollte, schickte sie ihn zurück.
      Als Noguchi etwas ungeduldig vorschlug, den Wagen zurückzuschicken und lieber zu laufen, glaubte Kazu, daß er ihr indirekt ihren Luxus zum Vorwurf mache Später hatte sie Gelegenheit, diesen anfänglichen Eindruck zu berichtigen. Denn Noguchis Erscheinung und seine Ausdrucksweise waren so würdevoll, daß jede seiner Äußerungen, sogar Beiläufgkeiten und Marotten, einen moralisierenden Unterton zu haben schienen.
       Sie wollten die Straße überqueren, um zum Ikenohata-Park zu gehen. Es herrschte starker Verkehr, unaufhörlich jagten Autos vorbei. Kazu traute sich zu, trotzdem sicher auf die andere Seite der Straße zu gelangen, aber Noguch war äußerst vorsichtig. »Noch nicht, noch nicht!« sagte er und hielt sie zurück, wenn sie rasch hinüberlaufen wollte. Dadurch verpaßte auch Kazu die günstige Gelegenheit; denn die Lücke im Verkehr, die es ihr ermöglicht hätte hinüberzulaufen, hatte sich längst wieder durch einen Strom herannahende Autos geschlossen, deren Windschutzscheiben in der Wintersonne aufblitzten Schließlich riß Kazu die Geduld. »Schnell, jetzt!« rief sie, nahm mit festem Grif Noguchis Hand und lief los.
       Sie hielt seine Hand noch immer fest, als sie bereits auf der anderen Seite waren. Es war eine knochige, überaus zarte Hand, fast wie eine getrocknete Pfanze. Als Kazu sie auch weiterhin nicht freigab, zog Noguchi sie langsam und verstohlen zurück. Kazu hatte seine Hand ganz unbewußt festgehalten, erst als Noguchi sich schüchtern losmachte, wurde ihr die Vertraulichkeit dieser Geste bewußt. Er zog die Hand genauso zurück, wie ein widerstrebendes Kind seinen Körper aus der zärtlichen Umarmung eines Erwachsenen windet.
      Unwillkürlich sah Kazu in sein Gesicht. Seine scharfen Augen unter den strengen Brauen blickten klar und unbekümmert, als sei nichts geschehen.
       Sie kamen zu dem Teich im Park und schlugen den Weg links am Wasser entlang ein. Ein leichter, aber kalter Wind wehte und kräuselte die Oberfäche des Teiches. In dem zitternden Wasser verschmolz das Blau des Winterhimmels mit der fahlen Farbe der Wolken. Ein blauer Streifen Himmels erstreckte sich bis zum anderen Ufer
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