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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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Feuer gebacken;
Bitterorange
GEMÜSE:
Farnkraut; Kastanien-Klöße; eingemachte Pfaumen

       Kazu trug einen kleingemusterten, grau-violetten Kimono, dazu einen dunkellila Obi mit Chrysanthemen-Muster und eine rostrote Obi-Schnalle mit einer großen schwarzen Perle. Dieses Gewand ließ ihre üppige Gestalt schlanker, vornehmer und eleganter erscheinen.
       Der Tag war warm und klar. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit – der Mond war noch nicht aufgegangen – erschien der frühere Außenminister Noguchi Yuken zusammen mit dem ehemaligen Botschafter in Deutschland, Tamaki Hisatomo. Noguchi war mager und wirkte etwas unscheinbar neben dem stattlichen Tamaki, doch die Augen unter dem graumelierten Haar waren scharf und klar. Sein funkelnder Blick verriet Kazu, daß dieser unverkennbare Idealist als einziger unter den nun versammelten Gästen, die alle einst Botschafter gewesen waren, sich noch nicht zur Ruhe gesetzt hatte.
       Die Gesellschaft war lebhaft und ungezwungen, aber man sprach ausschließlich von der Vergangenheit. Der Gesprächigste unter ihnen war Tamaki.
       Das Essen wurde im großen Empfangssaal des Gästepavillons, dem sogenannten Studienzimmer, serviert. Tamaki lehnte an einem Pfosten zwischen dem schwarzlackierten knospenförmigen Fenster und einer prächtigen Schiebetür, auf der vor einer Landschaft mit weißen Päonien ein buntes Pfauenpärchen zu sehen war; dieses seltsame Stilgemisch verriet den Geschmack des Provinzadels.
       Tamaki trug in der Westentasche seines englischen Maßanzuges eine altmodische Taschenuhr mit einer schweren goldenen Kette, die sein Vater, der ebenfalls Botschafter in Deutschland gewesen war, von Kaiser Wilhelm II. geschenkt bekommen hatte. Noch in der Hitlerzeit hatte diese Uhr in Deutschland großes Aufsehen erregt.
       Tamaki war ein blendend aussehender Mann und ein guter Redner: der Typ des aristokratischen Diplomaten. Er war einst stolz darauf gewesen, auch mit den Verhältnissen des einfachen Volkes vertraut zu sein. Doch jetzt beschäftigte er sich nicht mehr mit der Gegenwart, er dachte nur noch an den Lichterglanz der Kronleuchter längst vergangener Empfänge, zu denen sich fünfhundert, ja tausend Gäste eingefunden hatten.
       »Wenn ich daran denke, läuft es mir jedesmal kalt den Rücken hinunter. Es ist eine wirklich amüsante Geschichte«, begann er mit einer weitschweifgen Einleitung, die jedem den Spaß von vornherein verdarb. »Ich hatte noch nie die Berliner Untergrundbahn benutzt, seit ich Botschafter geworden war. Eines Tages schleppte mich unser Botschaftsrat – Matsuyama hieß er, glaube ich – trotz meines Sträubens in die U-Bahn. Wir stiegen in den zweiten, nein, ich glaube, es war der dritte Wagen von hinten. Er war nur mäßig besetzt. Ich blickte mich um und sah plötzlich, etwas weiter vom, Göring sitzen.«
       Tamaki machte eine Kunstpause, um zu sehen, was für einen Eindruck seine Geschichte auf die Zuhörer mache. Keiner verzog eine Miene, wahrscheinlich hatten sie die Geschichte schon über ein dutzendmal gehört. Kazu kam ihm zu Hilfe und meinte: »Göring war doch damals ein großer Mann, nicht wahr? So etwa wie Kato Kiomasa in Japan? Und dieser Mann saß in der Untergrundbahn?«
       »Ganz recht. Der allmächtige Göring. In einem abgetragenen Anzug, wie ein Arbeiter, den Arm um ein zierliches sechzehn-, siebzehnjähriges Mädchen geschlungen – übrigens ein bildhübsches Ding –, saß er dort in aller Seelenruhe in der Untergrundbahn. Ich rieb mir die Augen; denn ich dachte, ich hätte mich geirrt. Aber so scharf ich auch hinsehen mochte: es war Göring, wie er leibte und lebte. Schließlich kannte ich ihn ja genau, da ich ihn fast täglich auf Empfängen traf. Ich muß gestehen, daß ich verlegen war, während Göring keine Miene verzog. Vielleicht war das Mädchen eine Prostituierte; aber da bin ich nich sicher, denn in diesem Milieu kenne ich mich leider nicht aus.«
       »So wirken Sie aber gar nicht.«
       »Es war jedenfalls ein süßes Mädchen. Nur schien sie mir verdächtig stark geschminkt, besonders die Lippen. Göring, in seinem schäbigen Anzug spielte gelassen mit ihrem Ohrläppchen und streichelte ihren Rücken. Ich sah Matsuyama an, der neben mir stand. Ihm traten fast die Augen aus den Höhlen Zwei Stationen weiter stieg Herr Göring mit dem Mädchen aus. Wir beiden die wir im Abteil zurückblieben, waren fassungslos. Den ganzen Tag ging mi die Geschichte nicht mehr aus dem
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