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Nach all diesen Jahren

Nach all diesen Jahren

Titel: Nach all diesen Jahren
Autoren: Cathy Williams
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ihn an. Seine Worte taten ihr weh, und sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
    „War denn keiner der beiden in der Lage, sich um dich zu kümmern?
    „Es gab nur einen beziehungsweise eine. Meine Mutter.“ Es lag nicht in seinem Naturell, seine Seele zu offenbaren, darum bemühte er sich, betont sachlich zu sein. Er hatte schon früh im Leben gelernt, seine Gefühle nicht zu verraten, auch nicht durch die Stimme. „Unglücklicherweise hatte sie ein kleines Suchtproblem. Das brachte sie um, als ich fünf war. Mein Vater? Keine Ahnung, wer das ist. Irgendein Typ eben.“
    „Oh, mein Gott! Du Armer!“
    „Ich betrachte meine Kindheit einfach als ‚Härtetest‘. Letztlich hatte ich noch Glück. Das Pflegeheim war gar nicht so übel. Jetzt habe ich den Faden verloren.“ Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Kurzzeitig war ihm tatsächlich entfallen, was er eigentlich sagen wollte. „Ich möchte keine Beziehung. Nicht jetzt – wahrscheinlich nie. Ich wollte dir wirklich nichts vormachen, Sarah. Irgendwie … ist mir die Situation entglitten. Ich fühlte mich einfach zu stark zu dir hingezogen. Und all das hier hat nun wirklich nicht dazu beigetragen, mich wieder zur Vernunft zu bringen.“
    „Was meinst du damit?“
    „Dieses Land, die Hitze … die engen Wohnverhältnisse.“
    „Soll das heißen, an jedem anderen Ort der Welt wäre nichts zwischen uns passiert?“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme schrill.
    „Das ist jetzt wirklich eine sehr hypothetische Frage.“
    „Du könntest trotzdem versuchen, sie zu beantworten.“
    „Ich weiß es einfach nicht!“ Er konnte ihren Schmerz förmlich fühlen. Aber was sollte er tun? Versprechen geben, die er doch nicht halten würde? Was für eine verfahrene Situation! Warum habe ich es nur so weit kommen lassen? fragte er sich ärgerlich. Sarah war nicht die Frau, die sich auf ein flüchtiges Abenteuer einließ. Und wo war eigentlich seine berühmte Selbstbeherrschung? Auf und davon – sozusagen. Ein Blick hatte genügt, um ihn um den Verstand zu bringen.
    Und die Entdeckung, dass sie noch Jungfrau war! Hatte die ihn etwa gebremst? Im Gegenteil. Ein eigenartiges Glücksgefühl hatte ihn bei dem Gedanken überkommen. Am liebsten hätte er sein Glück von den Dächern der Stadt gerufen. Sehenden Auges hatte er sich in eine Romanze gestürzt, was er sonst aufs Äußerste verurteilte. Die üblichen Aufmerksamkeiten wie Pralinen und Schmuck konnte er Sarah unter den Umständen zwar nicht bieten – und hätte sie sich auch nicht leisten können –, aber sie führten lange Gespräche und teilten denselben Humor. Einmal hatte er sogar für sie gekocht, als der Rest des Teams ein Wochenende am Strand verbracht hatte.
    „Du weißt es nicht?“, fragte Sarah ungläubig. „Bin ich vielleicht nicht dein Typ?“
    Raoul zögerte mit der Antwort – offensichtlich zu lange.
    „Das ist es also!“ Sie schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte unter dem Moskitonetz hervor.
    „Wo willst du denn hin?“
    „Ich habe genug von diesem Gespräch.“ Sie suchte ihre Sachen zusammen und zog sich hastig an. Ein altes T-Shirt, Jeansshorts und Flip-Flops – fertig. „Ich brauche frische Luft.“
    Einen kurzen Moment rang Raoul mit sich, ob er ihr nachgehen sollte. Dann sprang er aus dem Bett, schlüpfte in die Jeans und rannte zur Tür.
    Das Schlafzimmer war klein und eng, und in seiner Eile stolperte er über seine Schuhe. Er fluchte leise vor sich hin. Was tue ich da nur? fragte er sich. Warum gehe ich ihr nach? Zu dem Thema war doch alles gesagt. Er würde die Quälerei nur noch verlängern. Aber nachdem sie so Hals über Kopf den Raum verlassen hatte, handelte er instinktiv.
    Ihr Quartier bestand aus einem quadratischen Betonbungalow, zu dem eine lange Treppe hinaufführte. Letztere sollte das Haus vor einer Überschwemmung schützen, wenn ein Zyklon wütete.
    Raoul holte Sarah auf der untersten Stufe ein. Sie drehte sich auf dem Absatz um und stemmte die Arme in die Seiten. „Also? Was ist denn dann dein Typ?“
    „Mein Typ?“
    „Die Frauen, auf die du normalerweise stehst!“
    „Das spielt doch jetzt keine Rolle.“
    „Für mich schon!“ Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihm ins Gesicht. Warum sie sich so an diesem Detail festbiss, hätte sie selbst nicht sagen können. Er hatte ja recht. Im Grunde war es egal, ob er auf große Schwarzhaarige oder kleine Blonde stand. Er machte Schluss! Schrieb sie ab! Warf sie weg wie
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