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Nach all diesen Jahren

Nach all diesen Jahren

Titel: Nach all diesen Jahren
Autoren: Cathy Williams
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erinnernden Augen, die sie einfach nicht aus ihrem Gedächtnis tilgen konnte.
    Das Letzte, was sie hörte, war die schrille Stimme der Blonden. „Herrgott, das fehlt jetzt gerade noch!“
    Widerstrebend kam sie wieder zu sich. Sie wollte nicht aufwachen, sondern für immer in dieser gnädigen Ohnmacht verharren. Ihre Lider flatterten. Zögernd öffnete sie die Augen.
    Sie fand sich ausgestreckt auf einem Sofa wieder. Offensichtlich hatte man sie in ein Büro getragen, das sie als das von Mr Verrier erkannte. Mühsam setzte sie sich auf – und ihr Blick fiel geradewegs auf Raoul. Er wirkte größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, aber immer noch so umwerfend attraktiv wie damals – auch wenn er in Afrika ausschließlich Jeans und ein altes T-Shirt getragen hatte. Sie versuchte, dieses Bild mit dem des eleganten Mannes, der sich gerade über sie beugte, in Übereinstimmung zu bringen. Dieser Mann hier glich bis aufs i-Tüpfelchen dem Klischee eines Multimilliardärs, der Raoul immer hatte werden wollen.
    „Nimm – trink das!“
    „Ich will nichts trinken! Was tust du überhaupt hier? Ich glaube, ich träume! Du kannst nicht hier sein.“
    „Komisch. Dasselbe wollte ich auch gerade sagen.“ Der Schock steckte Raoul noch in den Knochen. Als sich ihre Augen getroffen hatten, war im Bruchteil einer Sekunde die Vergangenheit wiederauferstanden. Als er Sarah dann in dieses Büro getragen hatte, weckte das noch ganz andere Gefühle in ihm. Gefühle, die er längst für ausgemerzt hielt. Plötzlich war alles wieder da, als wäre es gestern gewesen: der Duft ihres Haars, ihr Körper … Wie ist das möglich? fragte er sich. Wo doch zwischenzeitlich so viel geschehen ist!
    Sarah bemühte sich verzweifelt, ihre Fassung wiederzuerlangen. Die Situation war so absurd, dass sie am liebsten in lautes Gelächter ausgebrochen wäre.
    „Was … was tust du hier, Sarah? Mein Gott, du hast dich so verändert.“
    „Ich weiß.“ Plötzlich fühlte sie sich unglaublich befangen. Sie wusste, wie sie wirkte: blass und hohlwangig … in diesem schrecklichen Kittel. Nervös fingerte sie daran herum. Plötzlich zitterte sie am ganzen Körper. „Ja … also … die Dinge haben sich etwas anders entwickelt, als ich gedacht habe.“ Als sie versuchte aufzustehen, gaben ihre Knie gleich wieder nach, und sie sank auf das Sofa zurück.
    Raoul war von ihrem Aussehen geradezu entsetzt. Was war mit dem fröhlichen, lebhaften Mädchen mit den blitzenden grünen Augen geschehen?
    „Ich … ich muss weitermachen, Raoul. Ich bin noch nicht fertig …“
    „Du machst jetzt gar nichts fertig! Wann hast du eigentlich zum letzten Mal etwas gegessen? Du siehst aus, als könnte dich der leiseste Windhauch davonwehen. Und warum putzt du? Verdienst du so dein Geld?“
    Unruhig begann er, im Raum auf und ab zu gehen. Er konnte immer noch nicht glauben, dass Sarah in diesem Büro auf der Couch lag. Normalerweise erlaubte er sich Gefühle dieser Art nicht. Sie beeinträchtigten sein Bedürfnis nach Kontrolle und Rationalität. Aber jetzt konnte er nicht verhindern, dass sich seine Gedanken überschlugen. Die unerwünschten Erinnerungen überfielen ihn mit aller Macht.
    Mit Sarah verband er das Gefühl, frei zu sein. Einen Fuß schon auf der Karriereleiter, aber noch ohne die Last der Verantwortung. Vielleicht erklärte das die Heftigkeit seiner inneren Bewegung.
    „Ich hätte mir auch nie träumen lassen, einmal so zu enden.“ Die Ungeheuerlichkeit der Situation drang jetzt erst richtig in ihr Bewusstsein.
    „Aber wie kam es denn dazu? Was ist mit dir passiert? Oder hast du einfach eines Tages beschlossen, dass es dir mehr Spaß macht, Fußböden zu schrubben als zu unterrichten?“
    „Natürlich nicht!“ Die Empörung jagte einen Adrenalinschub durch ihre Adern, und sie machte erneut Anstalten aufzustehen, gab jedoch mitten in der Bewegung wieder auf. Verlegen blickte sie auf ihre abgeschabten Arbeitsschuhe und die ausgeleierten Leggins.
    „Warst du denn überhaupt auf der Universität?“ Unwillkürlich glitt sein Blick zu ihren Brüsten, die sich deutlich unter dem abscheulichen Arbeitskittel abzeichneten.
    „Ich … ich bin damals zwei Wochen nach dir abgereist.“
    In diesem Augenblick sah sie unglaublich jung und verletzlich aus. Unbehaglich registrierte Raoul, wie sich ein leises Schuldgefühl in ihm regte. In den letzten fünf Jahren hatte er alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Dank seiner beeindruckenden Diplome hatte er
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