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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden
Autoren: Robert Silverberg
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er sieht nicht chinesischer aus als ich. Er hat rotes Haar, eine Art kastanienbraune Haut und eine tiefe Stimme, und er hätte wahrscheinlich großen Erfolg bei Frauen, wenn er ihnen nicht immer so krampfhaft gierig entgegenträte. Man muß nicht eigens aus den Kinderschuhen herauszusein, um zu begreifen, wie lächerlich das Verhalten ist, das Leroy an den Tag legt. Er ist um die Vierzig und noch immer tölpelhaft. Fachlich gesehen, glaube ich, ist er so einigermaßen. Warum dieser Expedition so viele Blindgänger angehören, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
    Unser Chef Nummer eins ist kein Blindgänger. Es ist Dr. Milton Schein von der Marsport Universität, und wie du wahrscheinlich weißt, handelt es sich bei ihm um den Mann, der bei Syrtis Major die erste Fundstelle von Artefakten der Erhabenen ausgrub. Das macht ihn zum ersten tatsächlichen Paläoarchäologen – der erste Mensch überhaupt, der sich mit Fundstellen beschäftigte, die eine Milliarde Jahre alt sind. Und da er diese neue Wissenschaft praktisch begründete, ist es kaum möglich, etwas an ihm auszusetzen. Er ist hervorragend, obwohl auch ein wenig einschüchternd, wenn er zu fachsimpeln beginnt. Als Mensch ist er ein zuvorkommender, herzlicher, grauhaariger Typ und sehr liebenswert – es sei denn, sein berufliches Interesse erwacht. Er verabscheut Dr. Horkkk, und umgekehrt verhält es sich genauso, nehme ich an – deswegen, weil sie beide so hohes Ansehen auf diesem Gebiet genießen. Und mit gleichwertiger Hingabe verabscheuen sie unseren dritten Chef, Pilazinool von Shilamak, den bekannten Experten in intuitiver Analyse – was die Wissenschaft bedeutet, voreilige Schlüsse zu ziehen. Darin versteht er sein Handwerk.
    Wie du weißt, haben die Shilamakka diese Angewohnheit, sich selbst Glied für Glied und Organ für Organ in Maschinen zu verwandeln. Zuerst sehen sie überraschend humanoid aus. Das bedeutet, sie verfügen über die richtige Anzahl von Köpfen, Armen, Beinen und so weiter. Ich glaube, sie haben eine andere Anordnung der Gelenke, mehr Finger, weniger Zehen und ein paar ähnliche Andersartigkeiten. Aber dann fangen sie damit an, an diesem Basismodell herumzubasteln. Ein Shilamakka betrachtet sich selbst als ein Nichts, verfügt er nicht zumindest über ein künstliches Glied, wenn er zum Jugendlichen wird. Eine Art Pubertätsritus. Und sie machen ihr ganzes Leben lang damit weiter, schneiden ihre Gliedmaßen ab und ersetzen sie durch hübsche Metalldinge. Je weniger vom ursprünglichen Körper übrigbleibt, desto höher der soziale Rang. Bei Pilazinool handelt es sich um einen sehr hochgestellten Shilamakka. Er verfügt über maximales Prestige, und ich vermute, er besteht zu neunzig Prozent aus Transplantaten, wobei nur kaum mehr als sein Hirn noch organisch sein kann. Neues Herz, neue Lungen, neues Verdauungssystem, neue Drüsen, alles neu. Er verbringt eine Menge Zeit damit, sich auf Hochglanz zu polieren. Er hat sehr viel Angst davor, daß Staub in seine Getriebe eindringt. Mir würde es vermutlich nicht anders ergehen. Er hat die Angewohnheit, sich einen Arm, eine Hand oder irgend etwas anderes abzuschrauben und damit herumzuspielen, wenn er nervös ist oder einfach nur konzentriert nachdenkt. Letzte Nacht hat er mit Dr. Horkkk im Gesellschaftsraum Komplex-Schach gespielt, und während eines spannenden Abschnitts löste Pilazinool beide Beine, seinen linken Radioempfänger und seine rechte Schulter. Neben ihm stapelte sich also dieser Haufen abgeschraubter Shilamakka-Teile. Dr. Horkkk hatte ihn mit einem direkt von der Seite heranfliegenden Turm in doppeltem Schach, doch Pilazinool fand einen sehr geschickten Ausweg aus dieser Lage, indem er seinen rechten hinteren Läufer hob, zwei Bauern damit schlug und dann seine Königin in einem der grandiosesten Gegenzüge heranbrachte, die ich jemals gesehen habe. Das Spiel endete remis. So ist Pilazinool: kühl, mehr Maschine als Lebewesen, aber auf Draht.
    Das letzte Mitglied unserer Gruppe ist 408b von 1. Es tut mir leid, so heißt er – oder sie oder es. Es kommt von Bellatrix XIV, wo man alles mit Nummern zu benennen pflegt. „408b“ stellt Vor- und Familienname dar. Bei „1“ handelt es sich um die Bezeichnung des Planeten: Sie haben das ganze Universum numeriert, und ihre eigene Welt ist natürlich Nummer eins. Der gute 408b ist ein gelblich aussehender Sonderling von im Grunde genommen polypenartigem Äußeren: sackartiger Körper, fünf Greiftentakel,
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