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N. P.

N. P.

Titel: N. P.
Autoren: Banana Yoshimoto
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paar Schenkelchen grillen? Oder findest du das eklig, nach dem Knochen?«
    »Ob Mensch oder Vogel, Fleisch ist Fleisch, und Knochen ist Knochen.«
    »Das stimmt auch wieder.« Otohiko lachte. »Aah, ich fühl mich erleichtert.«
    »Ich auch.«
    »Als ob ein böser Geist endlich vertrieben wäre.«
    »Mir kommts genauso vor. Außerdem wollte ich schon die ganze Zeit ans Meer fahren«, sagte ich, während ich ein Schenkelchen verspeiste.
    Otohiko holte einen Folienkeks aus dem Feuer und antwortete: »Egal, über was wir reden, ich fühl mich wohl. Ich glaub, ich bin besoffen.« Er riß die Folie auf. Der Duft frischen Gebäcks stieg mir in die Nase. »Wie ich mir gedacht hab, ein bißchen angebrannt.« Otohiko lachte und sagte dann: »Vielleicht liegt es aber auch daran, daß ich in letzter Zeit kaum mit jemandem gesprochen habe.«
    »Vielleicht ist es das Feuer.«
    »Der Seewind vielleicht.«
    »Man sagt ja, am Meer geht dem Menschen das Herz auf.«
    »Jeder Blödsinn hat für mich jetzt Klasse.«
    »Egal, was wir reden, alles wird von den Wellen weit, weit weggetragen.«
    »Das macht das Gefühl der Befreiung!«
    »Ja, genau. Der Wein ist zwar lauwarm, aber gut.«
    »Soll ich ihn in die Kühltasche legen?«
    »Nicht nötig, eine Masche ist noch drin.«
    »Bin ich froh, daß ich mitgekommen bin! Es ist schön hier. Ich bin dir so dankbar!«
    »Ich bin aber auch froh, daß du mitgekommen bist. Allein wäre so was Tolles wie jetzt nicht möglich gewesen.« Ich aß einen Folienkeks.
    »Der Mond ist ganz weiß, findest du nicht?«
    »Ja, er sieht auch viel kleiner aus als sonst.«
    »Sie sind zwar jetzt nicht zu sehen – das Feuer ist zu hell-, aber der Himmel ist heute bestimmt voller Sterne.«
    »Ja, bestimmt. Wahrscheinlich könnte man sogar die Milchstraße sehen, soo«, und er beschrieb mit dem Arm, wie sie in weitem Bogen den Himmel durchzog.
    »Und mittendrin schwimmt der Schwan!«
    »Hier ist wirklich kein Mensch.«
    »Ja, es ist ganz still.«
    Ich sah mich um. Hinter uns ragte eine riesige Gruppe von Hotels empor, wie es sich für einen Ferienort gehörte, eine lange Reihe, die sich die Küste entlangzog.
    »Ob man von den Fenstern dort unser Feuer sehen kann?«
    »Wo sollen wir übernachten?«
    »Ach, bei so vielen Hotels gibt es bestimmt einen Haufen freier Zimmer. Wir werden sofort eins kriegen.«
    »Ja. Überall, wo kein Licht brennt, ist wahrscheinlich was frei.«
    »Oder die Leute schlafen einfach oder sind ausgegangen.«
    »Trotzdem, es gibt so viele Hotels hier, und heute ist ein ganz normaler Wochentag.«
    »Das große Fenster da, das so vorsteht, das ist bestimmt eine Suite. Raffiniert konstruiert!«
    »Das da sind wohl Ferienhäuser oder so was.«
    »Sieht so fremd aus, als ob wir gar nicht in Japan wären.«
    »Hast du Geld dabei?«
    »Ja, meine Kreditkarte.«
    »Ich hab aber auch genügend mitgenommen.«
    »Aber du mußt schon damit haushalten, wenn du die Reise ausdehnen willst.« Er lachte.
    Ich hatte das Gefühl, immer so Weiterreisen zu können.
    »Laß uns gleich in der Hotelbar noch einen trinken.«
    »Ja, gute Idee. Ich hab Lust auf was Warmes.«
    Mir war, als träte das Rauschen der Wellen, das unser Schweigen umhüllte, um so klarer und deutlicher hervor, je tiefer es Nacht wurde. Die Szenerie, die sich vor meinen Augen unendlich weit ausbreitete, räumte alles sauber weg, was sich in mir aufgehäuft hatte, und statt dessen erfüllte reine Luft mein Herz. Aber etwas Leuchtendes war übriggeblieben, etwas, das nie verlöschen würde. Stille. Die klare Nacht der Ewigkeit – das Ende der Welt.
    Genau so eine Nacht war es gewesen. In dieser Erzählung, am Ende. Der traurige, hilflose Gesang einer Meerjungfrau, der aus der Ferne ans Ohr dringt, ganz leise. Ihr Unterleib – schuppig und unberührbar. Sie hält den Kopf gesenkt, ihr Profil schimmert zart durch die langen Haare. Im Mondschein. Auf ewig werde ich dich lieben, du wunderschönes Mädchen.
    »Also du hast das geschrieben? Als wärst du dein Vater?«
    »Ach, hör auf damit.«
    »Deshalb! ich hab schon die ganze Zeit gedacht, daß dieser Teil vom Stil her ganz anders ist!«
    »Verrat es niemandem, hörst du!«
    »Du meinst Saki? Oder Sui?«
    »Niemandem, und den beiden schon gar nicht!«
    »Sui werde ich sowieso nie wiedersehen. Briefkasten! Verdammt …«
    »Weinst du?«
    Ja, ich weinte ein bißchen. Hätte ich nicht ausgerechnet am Meer gesessen – dieses überwältigende Gefühl von Verlust hätte mich wahrscheinlich nicht so
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