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Mythos

Mythos

Titel: Mythos
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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keine Menschen?, hatten sie gefragt. Haben sie keine vernunftbegabten Seelen? Habt ihr denn nicht die Pflicht, sie zu lieben wie euch selbst?“
    Die spanischen Kolonisten waren außer sich vor Zorn auf diese Mönche gewesen, aber Las Casas hatten sie tief beeindruckt. Er hatte seinen Besitz aufgegeben und sich fortan für die Rechte der Indios eingesetzt.
    „Las Casas erklärte, dass es der Lehre Christi widersprach, zu Missionszwecken Kriege zu führen. Für uns“, fuhr der Mönch mit erhobener Stimme fort, „ist Bartolomé de Las Casas einer der ersten Vertreter der Menschenrechte.“
    „Und was hat das alles nun mit den Papieren zu tun, die Sie im Archiv entdeckt haben?“, fragte Tilly und fingerte am Saum ihres Rockes herum.
    Belotti lächelte verständnisvoll. „Wir Dominikaner setzen uns schon lange dafür ein, dass Las Casas heiliggesprochen wird. In der evangelischen und anglikanischen Kirche ist das längst geschehen. Aber Rom …“ Er seufzte. „Im Jahre 2002 ist der Prozess von der Kongregation für Selig- und Heiligsprechung endlich eingeleitet worden.ockitet wo Seitdem wird das Leben und Wirken von Las Casas vom Vatikan genau untersucht.“
    „Ist das noch notwendig?“, fragte Tilly.
    Der Mönch nickte energisch und hob einen Zeigefinger. „Wir brauchen Beweise dafür, dass Las Casas für ein Wunder verantwortlich ist.“
    Sie schaute ihn erstaunt an.
    „Leider wissen wir von keinem Wunder, das er zu Lebzeiten bewirkt hat.“
    Belotti sprang auf und ging mit großen Schritten vor den Stühlen auf und ab. „In den alten Dokumenten haben wir bislang jedenfalls nichts finden können. Aber nun haben wir erfahren, dass unser Bruder wohl tatsächlich ein Wunder bewirkt hat. Nicht zu seinen Lebzeiten, sondern jetzt.“
    Er drehte sich zu Tilly um und schaute sie mit hochgezogenen Brauen an. „Er hat ein kleines, todkrankes Mädchen geheilt.“
    Sie runzelte die Stirn. „Ich verstehe noch immer nicht, wieso …“
    „Dieses Wunder hat sich im Norden von Peru ereignet. In der Stadt Jaén.“ Belotti setzte sich wieder. „Ich habe nun versucht, einen Zusammenhang herzustellen zwischen diesem Ort und dem Wirken von Las Casas. Einfach um es plausibler zu machen.“
    Der Mönch strich sich über die kahle Stelle auf seinem Kopf. „Bei der Suche bin ich auf einen indirekten Zusammenhang gestoßen, dem ich nachgegangen bin.“
    Offenbar hatte Las Casas Ende des Jahres 1539 in Santo Domingo auf Hispaniola einen Spanier namens Juan de la Torre getroffen, der nach Europa wollte. Dieser Konquistador war allerdings noch vor seiner Abreise dem Tropenfieber erlegen. Als es zu Ende ging, hatte er Las Casas die Verbrechen gebeichtet, die er in Peru begangen hatte.
    Belotti schlug die Beine übereinander und faltete die Hände in seinem Schoß. „Dieser Juan de la Torre hatte sich in Peru in einer Stadt mit dem Namen Chachapoyas aufgehalten, in den Nebelwäldern, die die Berge und Täler am Ostrand der peruanischen Anden bedecken. Und die Stadt Jaén, wo jetzt das Wunder stattgefunden hat, liegt nicht weit davon entfernt.“ Belotti rieb sich nachdenklich das Kinn. „Das hat wahrscheinlich überhaupt nichts mit dem Wunder zu tun, das sich jetzt ereignet hat. Aber: Juan de la Torre hat dort eine ganz besondere Erfahrung gemacht.“
    Er stand auf und hob bedeutungsvoll den Zeigefinger. „Er ist dem Teufel begegnet!“
    Tilly lachte kurz auf und legte dann die Hand vor den Mund. Der Mönch meinte das offenbar ernst. Aber das machte die Geschichte nicht unbedingt glaubwürdig, dachte sie. Der Mönch ließ sich nicht anmerken, ob er ihre Reaktion bemerkt hatte.
    „Und die Dokumente in deutscher Sprache?“, fragte sie. „Woher …“
    Belotti schob die Hände in die weiten Ärmel seiner Tunika und begann erneut, auf und ab zu gehen. „Wenn es sich um Briefe handelt, dann war Juan de la Torre ein Bote. Dieser Gaspar Riz de Santo Galo hat ihm die Papiere in Peru übergeben, und er sollte sie von Santo Domingo aus weiterleiten an diesen … wie hieß er?“
    „Philipe von Hutten in Coro, Venezuela.“
    „Und als er in Santo Domingo gemerkt hat, dass es mit ihm zu Ende geht, hat er Las Casas diese Papiere übergeben. Und der hat sie offenbar nicht weitergeleitet, sondern behalten.“
    Ein Derrotero von Gaspar Riz de Santo Galo, den Philipe von Hutten also nie erhalten hatte, dachte Tilly. „Wo …“, begann sie.
    „De la Torres Beichte, der Brief, den Sie vorhin gesehen haben, und diese verschlüsselten
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