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Mythos

Mythos

Titel: Mythos
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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war ein richtiger Schock. Es bedeutete nichts anderes als Wegweiser! Ein Wegweiser! Zu großem Reichtum.
    „Zu einem Schatz?“, murmelte sie.
    In ihrer Magengegend breitete sich ein Kribbeln aus. Sie rieb sich die Augen.
    War sie hier vielleicht auf eines jener seltenen Dokumente gestoßen, wegen der Schatzjäger aus aller Welt ständig Sevilla besuchten? Solche Dokumente unter den Millionen von Seiten zu finden, war so aussichtsreich wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Vorsicht, ermahnte sie sich deshalb. Ganz vorsichtig.
    „Derrotero? A uno tesoro?“, fragte der Mönch.
    Erschrocken schaute sie auf. Der Mönch nahm die Brille ab.
    „Sie lesen da tatsächlich etwas von einem Schatz?“, fragte er auf Spanisch.
    „Nicht so laut“, sagte sie und blickte sich um. Etliche Besucher hatten ihre Köpfe gehoben. Direkt hinter ihnen saß ein bärtiger Mann mit tiefen Augenringen und starrte sie am Monitor vorbei neugierig an. Der Mönch folgte ihrem Blick. Dann begann er zu lachen. Eine der Assistentinnen legte den Finger auf die Lippen.
    „Chez bellezza! Ein Schatz!“, sagte der Alte leise und schüttelte grinsend den Kopf. „Danach habe ich nun wirklich nicht gesucht“, flüsterte er und schob die Papiere zusammen. Dann lehnte er sich zurück und faltete die Hände vor dem Bauch.
    „Steht dort nichts über Padre Bartolomé de Las Casas?“, fragte er leise.
    Nora Tilly erinnerte sich vage, diesen Namen schon gehört zu haben. Sie überflog das Papier erneut und schüttelte den Kopf. „Auf den ersten Blick sehe ich nichts.“
    Er schob ihr einen ganzen Stapel Blätter hinüber. „Was sagen Sie hierzu?“
    Die Papiere waren eng in einer ihr unbekannten Sprache beschrieben. Dann lief ihr ein Schauer über den Rücken. Das war …
    Sie spürte, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. Das hier war keine fremde Sprache. Das war eine Geheimschrift!
    Einige Buchstaben ähnelten den vertrauten lateinischen Formen, andere wirkten arabisch, griechisch oder wie reine Fantasiegebilde. Unglaublich! Einfach unglaublich. Sie strich mit den Händen über ihren Rock.
    „Was da steht, kann ich nicht lesen. Aber …“ Sie griff noch einmal nach dem Brief von Gaspar Riz de Santo Galo und tippte mit ! tipptedem Finger auf eine Stelle.
    „Habe insgeheim ausführlich geschrieben“, übersetzte sie. „Ich vermute, das ist ein verschlüsselter Text, den der Verfasser des Briefes hier angekündigt hat.“
    Ein verschlüsseltes Dokument aus dem 16. Jahrhundert. Ein Hinweis auf einen Teil des Lösegeldes, das der Inka Atahualpa dem spanischen Eroberer Francisco Pizarro in Peru im Jahre 1533 gezahlt hatte. Ein ganzes Zimmer voller Gold war das gewesen! Und dort stand eindeutig etwas von einem Derrotero! War das wirklich real? War ihr das Glück diesmal wirklich hold?
    Vielleicht war das ihre große Stunde, der große Augenblick, der Anfang der großen Reise. Vielleicht, vielleicht, vielleicht …
    Komm auf den Teppich zurück, befahl sie sich. Nicht jedes verschlüsselte Dokument aus dem 16. Jahrhundert musste mit versteckten Schätzen zu tun haben. Die konnten auch von politischen Intrigen handeln, die die spanischen Eroberer von Mexiko und Südamerika, die Konquistadoren, untereinander gesponnen hatten. Oder um geheime Botschaften zwischen Beamten der spanischen Krone.
    Nein! Hier stand es doch: Derrotero. Reichtum. Das hier war Realität.
    Sie musste diese Dokumente unbedingt haben. Nicht die Originale, klar, aber Kopien. Sie legte beide Hände flach auf die Papiere. Wieso war dieser Mönch darauf gestoßen? Wonach hatte er gesucht? Was steckte dahinter? Wie …
    Ruhig, Nora, ganz ruhig. Sie wandte sich mit einem Gesicht, von dem sie hoffte, dass es ihre wahren Gefühle nicht zeigte, dem Mönch zu.
    „Vielleicht steht ja in diesem verschlüsselten Text etwas über Padre de Las Casas“, sagte sie. „Ich könnte versuchen, ihn für Sie zu entschlüsseln.“
    „Das ist sehr freundlich“, antwortete der Mönch. „Aber für den Vatikan arbeitet eine Reihe von Experten, an die ich mich wenden kann.“
    Sie holte tief Luft. Das musste sie um jeden Preis verhindern. Sie bemühte sich, ihre Stimme gleichgültig klingen zu lassen. „Lassen Sie uns die Dokumente einfach ausdrucken, ich schaue mir die wirklich gerne an.“
    Sie hob die Augenbrauen. „Wissen Sie, ich bin deutsche Historikerin. Deutsche oder Schweizer in den spanischen Kolonien des 16. Jahrhunderts, das interessiert mich sehr. Vielleicht haben wir beide was
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