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Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein

Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein

Titel: Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein
Autoren: Terrid Peter
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Sicherheit gebracht hatten.
    Die Brust des Mannes hob und senkte sich in heftigen Stößen.
    Was war zu tun?
    Gern wäre er furchtsam gewesen, wenigstens ein bißchen feige. Aber irgendwo waren alle Versuche, endlich die gewünschte Bangigkeit zu erwerben, gescheitert - dazu mußte man sich ja erst einmal in Gefahr begeben, und war es einmal soweit, dann brach die Tapferkeit wie ein Ungewitter über den Unglücklichen herein.
    Es gab Amazonen, die ihn scheel ansahen, und das war kein gutes Zeichen.
    »Ich werde mir die Vorfahren zu Herzen nehmen«, sagte Phyter. »Sie sollen mir zeigen, wie man zu leben hat.«
    Die Liste der Chronisten von Narein war erheblich kürzer als die der Burgnerinnen. Kein Wunder, denn viele Anführerinnen der Narein-Amazonen hatten den Tod in der Schlacht gefunden, wohingegen es die Vorfahren des Chronisten meist auf ein erhebliches Alter gebracht hatten. Es war keiner gestorben, bevor er nicht das siebente Lebensjahrzehnt vollendet hatte.
    Phyter nahm eine Pergamentrolle zur Hand.
    Er kannte die Schriftzüge. Mehr als einmal hatte er sie gelesen. Sie waren blaß geworden, obwohl zwei seiner Vorfahren jeden einzelnen Schriftzug sorgsam von Hand mit frischer Tinte nachgezeichnet hatten, um die kostbare Urkunde über die Zeiten zu retten.
    Diese besondere Urkunde stammte aus einer längst vergangenen Epoche.
    Mehr als dreieinhalb Großkreise lagen diese Zeiten schon zurück. Damals war Ploder Chronist gewesen, den man auch Meister Hasenfuß genannt hatte. Er war der berühmte Urahne eines berühmten Geschlechts…
*
    »Ach, du lieber Himmel«, ächzte Ploder. »Dort sollen wir hin?«
    »Los, Junge, stell dich nicht so an!«
    Ploder war achtzehn und recht kräftig, trotzdem schaffte es seine Mutter, ihn mühelos hinter sich her zu ziehen. Der Ort, dem Ploders Mutter zustrebte, paßte dem Jungen überhaupt nicht.
    Eine Ebene voller Zelte, dazwischen Reittiere, Kampftiere, überall Waffen… nein, das war nicht der rechte Ort für Ploder. Er wollte lieber Zeichnungen in den Sand malen; das war eine Beschäftigung nach Ploders Geschmack.
    Er wagte aber nicht, sich seiner Mutter zu widersetzen. Sie war eine stämmige Frau, die ihr Leben zu meistern verstand und keinerlei Widerstand duldete.
    »Sie werden mich totschlagen, diese gräßlichen Amazonen«, jammerte Ploder weiter.
    Er hatte furchtbare Angst, weil er nicht wußte, was aus ihm wurde, wenn er erst im Lager war.
    Krieg wälzte sich über Ganzak, vernichtete Menschen und Vieh, zerstörte Häuser und Äcker. In den Kisten wurden die Brotkrumen karger, es fehlte an Milch, Käse, Getreide. In manchen Landstrichen, so hieß es, herrschte bittere Hungersnot.
    Lange schon dauerte dieser Krieg, und noch zeichnete sich kein Ende ab. Ploder hatte gerüchteweise gehört, daß die Amazonen von Ganzak unter Führung einer Hexe zwölften Grades gegen eine namenlose, abtrünnige Zaubermutter stritten, aber Einzelheiten hatte er natürlich nicht erfahren. Wer wäre auch auf den Gedanken verfallen, einem Bauerntölpel, der zu nichts taugte, solche Geheimnisse anzuvertrauen?
    »Was sollen wir dort, Mutter?« fragte Ploder. Die schrecklichen Zelte wurden immer größer. Wahrscheinlich wohnte in jedem dieser spitzzipfligen Zelte mehr als eine Amazone, und das ergab dann ein riesiges Heer.
    War für Ploder schon eine einzige Amazone Grund zur Furcht, so war eine Zusammenkunft so vieler Streiterinnen eine Schreckensvision, die er sich in seinen übelsten Träumen nicht so grauenhaft ausgemalt hatte.
    Dann war das Zeltlager erreicht, und Ploders schlimmste Befürchtungen wurden wahr. Es wimmelte von Weibern in diesem Lager, kleinen, großen, alten, jungen, fast jede machte ein grimmiges Gesicht und schleppte gefährliche Waffen mit sich.
    »Ein hübscher Junge, den du da hast!« rief eine Amazone und deutete ungeniert mit dem Finger auf Ploder.
    Der lief rot an und wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham. Davon redete man doch nicht in solcher Deutlichkeit. Gewiß, er war nicht häßlich, aber trotzdem…
    Ploder suchte die Nähe seiner Mutter. Sie stapfte durch das Amazonenlager, als gehöre sie dazu. Vor einem besonders großen Zelt blieb sie schließlich stehen.
    »Wir sind am Ziel«, sagte sie.
    »Wer haust hier?«
    »Eine Freundin von mir«, sagte Ploders Mutter. »Ich kenne sie nicht sehr gut, denn woher sollte unsereins, der die Nase nicht vor die Tür stecken kann, eine richtige Amazone kennen. Aber ich konnte ihr eines Tages einen Gefallen tun,
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