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Mythor - 068 - Traumland der Ambe

Mythor - 068 - Traumland der Ambe

Titel: Mythor - 068 - Traumland der Ambe
Autoren: Vlcek Ernst
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Warnung voraus – und Sträucher und Bäume bogen ihre Äste zur Seite, um mir den Weg freizugeben. Zwischendurch mußte ich einige Trugbilder und magische Fallen beseitigen, die mir meine neidischen Mitschülerinnen in den Weg legten. Sie waren immer zu Streichen aufgelegt und versuchten mich zu ärgern, wo sie nur konnten. Manchmal stieg ich darauf ein, um ihnen das Gefühl von hoffnungsloser Unterlegenheit zu nehmen. Es kam aber auch vor, daß ich nicht in der Stimmung war, ihr Spiel mitzumachen, dann ließ ich es sie schmerzhaft spüren und schickte den Spuk gegen die Urheberinnen zurück.
    Der Vulkan von Ascilaia ist längst erloschen, und es gehört zu den Prüfungen für den fünften Hexenrang, die in ihm schlummernden Gewalten anzuzapfen und sie gesteuert sichtbar zu machen. Wenn also über Ascilaia eine Rauchblume zu sehen ist, oder sich ein kleiner Lavastrom über seine Flanke ergießt, dann strebt gerade eine Hexe nach dem violetten Mantel. Ich bedauerte dann immer, daß bei einem Glutstrom so viele Pflanzenfreunde ihr Leben lassen mußten, aber ich wußte auch, daß an dieser Stelle später einmal der Boden besonders fruchtbar sein würde.
    Es gibt im Südwesten auch eine kleine Bucht mit einigen Häuschen und Badestegen, die ins stille Meer hinausführen, wo sich die Hexenschülerinnen, sofern sie den Krater mit der Schule bereits verlassen dürfen, nach dem schweren Tageswerk vergnügen können.
    Als ich an diesem Nachmittag die Bucht erreichte, planschten einige Hexenschülerinnen ausgelassen im kühlen Naß. Ich ließ mich im Schatten eines Baumes nieder und sah ihnen zu, wie sie sich über das Wasser treiben ließen, oder große Fische anriefen, um sich an ihren Rückenflossen festzuhalten und sich von ihnen ziehen zu lassen, Luftblasen einzufangen und mit ihnen auf den Grund der Bucht zu tauchen. Alles wirkte so unverfänglich und harmlos, daß ich keinen Verdacht schöpfte, als ich auf einmal das Bedürfnis verspürte, ebenfalls ein Bad zu nehmen. Ich entkleidete mich und faltete meinen Blaugrauen sorgfältig zusammen, bevor ich, nackt wie Fronja mich erschuf, über den Strand eilte. Doch noch ehe ich bis zu den Knien im Wasser stand, da tauchten alle Hexenschülerinnen aus dem Wasser auf, schlugen große Wellen und schickten sie gegen mich. Dabei spotteten sie über mein Aussehen.
    »Welchem Traum Fronjas bist du denn entsprungen?« riefen sie. Und: »Wahrscheinlich einem Fiebertraum!« – »Einem Nachtmahr-Traum!« – »Einem Verzerr-Spiegel-Traum!«
    Ich war damals ein häßliches Mauerblümchen, aber es machte mir bis zu diesem Zeitpunkt nichts aus. Erst als ich die vollerblühten und untadelig geformten Körper meiner Mitschülerinnen sah und sie mit meinem verglich; da wurde mir meine Häßlichkeit als Makel bewußt. Denn mein Aussehen mußte als Makel angesehen werden, wo Fronja doch so schön war. Nur in meinen Träumen von ihr war ich ihr gleich, aber die Wirklichkeit war erschütternd.
    Was muß ich für eine jämmerliche Figur gemacht haben, und es nützte nichts, daß ich mir sagte, daß Äußerlichkeiten nicht zählten. Ich sah Fronja vor meinem geistigen Auge, und das strafte mich der Selbstlüge.
    Damals erfuhr ich zum ersten- und zum letztenmal in meinem Leben, was Haß sein konnte. Ich rief in meiner Wut die Winde herbei und ließ sie über der Bucht einen Wirbel tanzen, und ich vereinte sie mit dem nassen Element zu einem mörderischen Reigen, von dem meine gehässigen Mitschülerinnen mitgerissen wurden.
    Ich glaube, ich hätte sie allesamt getötet, wenn Prysca nicht rechtzeitig eingegriffen hätte. Sie brachte die Stille zurück, und aus der ruhigen See taumelten und torkelten die erschöpften Hexenschülerinnen, den schlaffen Körper einer Kameradin hinter sich nachziehend. Sie war nicht ganz tot, aber Rescina mit den heilenden Händen hatte Mühe, sie wieder ganz ins Leben zurückzuführen. Doch sie konnte nie wieder zaubern.
    Nach diesem Erlebnis schwor ich mir, mich nie wieder minderen Gefühlen hinzugeben und mich in den Dienst des Guten und des Schönen zu stellen.
    Aber in diesem Leben konnte ich mein Vorhaben nicht mehr verwirklichen. Ich war in dem Käfig meines häßlichen Körpers gefangen, und die schweren Traumerlebnisse, die mich eingekreist hatten, verhinderten ein Entkommen. Ich konnte nur auf ein zweites Leben hoffen…
*
    Es war einige Nächte später, daß ich ein schreckliches Traumerlebnis hatte: Ich erlebte in allen Einzelheiten mit, wie Prysca mich
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