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Mythor - 049 - Der Drachensee

Mythor - 049 - Der Drachensee

Titel: Mythor - 049 - Der Drachensee
Autoren: Peter Terrid
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furchtbarer Kraft und Geschicklichkeit schleuderte Tjubal den Speer. Es war der beste Wurf, den er je getan -wer Ziel dieses Speerwurfs war, konnte mit dem Leben abschließen.
    Coerl O’Marn aber rührte sich nicht. Ruhig wartend, gelassen blickte er dem heransausenden Geschoß entgegen.
    Dann, nur die Zeit eines Herzschlags verging: Er trat einen kleinen Schritt zur Seite. Die Rechte zuckte hoch, bekam den Speer zu fassen, hielt ihn an. Ein Ruck, ein Armschwung.
    Tjubal rührte sich gleichfalls nicht. Mythor sah, wie Tjubals eigenes Geschoß heranjagte und den Einäugigen traf. Tjubal brach zusammen, er kippte von der Brüstung, schlug auf dem Wasser auf und versank.
    Einen Augenblick lang blieben die Krieger der Verteidiger wie angewurzelt stehen. Dumpf klang die Trommel über das Wasser.
    Dann ging ein Seufzen durch die Reihen der Drachentöter. Sie nahmen die Schwerter zur Hand, hoben die dürftigen Schilde. Die letzte, aberwitzige Hoffnung war vertan.
    Die Schlacht um Erham trat in ihre Entscheidung.
    Wie die Entscheidung ausfallen würde, war jedem klar -sie lautete auf Tod.
    TAM-TAM.
    Dumpfer Trommelschlag, Schwerterklirren, ab und zu ein Schrei, laut und gellend.
    Mythor hatte nie vorher einen ähnlichen Kampf erlebt. Dieser blutige Streit verlief nach anderen, seltsamen Spielregeln. Es gab kein anfeuerndes Schreien, keine Zurufe. Beide Parteien kämpften schweigend, als unterzögen sie sich einer lästigen, aber unvermeidlichen Pflicht.
    Beide Gruppen schlugen sich mit uneingeschränkter Todesverachtung. Für die Drachenanbeter galt es, weil sie im Bann der Dämonenpriester standen, wahrscheinlich auch unter dem Schreckensgebot von Drudins Todesreitern. Die Verteidiger kämpften schweigend, weil es keine Aussicht gab auf Sieg, weil es nur darum ging, möglichst ruhmvoll unterzugehen – und das, obwohl jeder wusste, dass dieser Kampf niemals ruhmvoll sein konnte.
    Der einzige, der einen wahren Heldentod gestorben war, war Tjubal. Er hatte alles vorgefunden, was dazu nötig war: ein Held, ein Schurke und natürlich Zuschauer, die den Heldenruhm hätten verbreiten können.
    Für den Rest des Kampfes galt das nicht mehr. Es gab keine Helden, es gab keine Schurken – und es würde vor allen Dingen niemanden geben, der den Ruhm der Helden hätte der Nachwelt überliefern können.
    Die Drachenanbeter würden davon nicht reden, und wenn dieser Kampf beendet war, würde es außer den Drachenanbetern keine andere Gruppe mehr in den Ruinen von Erham geben. Mythor hatte es sehen können, jeder hatte es erlebt – die Drachenanbeter schonten niemanden, nicht Verwundete, nicht Weiber, vermutlich auch die Kinder nicht.
    Trotz des Ungleichgewichts leisteten die Drachentöter und ihre neuen Verbündeten, die Drachenbändiger, schier Übermenschliches. In den kurzen Augenblicken, die Mythor zur Beobachtung blieben, konnte er kleine und große Heldentaten sehen, wie er sie selten zuvor hatte sehen können; insbesondere war die todesverachtende Treue und Tapferkeit der Frauen bestaunenswert.
    Das Wasser, das träge um die Mauern von Erham spülte, war rot vom vergossenen Blut. Leichen trieben darauf, umgestürzte Boote. Es war ein Anblick des Grauens.
    Am wenigsten davon beeindruckt waren Drudins Todesreiter, wie Mythor es nicht anders erwartet hatte. Sie standen noch immer in ihren Kähnen und sahen voller Gleichmut dem Schlachten zu, das sie befohlen hatten.
    Andere Feldherren wären längst aufgesprungen, hätten zornige Gesten gemacht oder ihre Krieger mit Zurufen angefeuert. Diese beiden nicht – obwohl sie wahrlich genügend Grund dazu gehabt hätten, denn die Sache der Drachenanbeter entwickelte sich alles andere als gut.
    Die Drachenanbeter hatten wenig Lust, für ihre Herren einen schmerzlichen Tod zu sterben. Ihre Gegner aber, den sicheren Tod vor Augen, leisteten einen derart hartnäckigen Widerstand, dass die Reihen der Angreifer in entsetzlichem Maß gelichtet wurden. Zwar musste letztendlich die Unzahl der Angreifer den Ausschlag geben, aber es zeichnete sich ab, dass die Schlacht sich in die Länge ziehen würde. Die Drachentöter hatten nichts zu verlieren als ihr Leben, und das galt wenig in diesem Gemetzel. Infolgedessen erlaubten sie sich tolldreiste Ausbrüche. Himmelfahrtskommandos, die bei keinem anderen Heerhaufen denkbar gewesen wären als bei diesem. Die Wunden und Siechen, die Veteranen der zahllosen Schlachten um Logghard, sie schienen einen gnadenlosen Wettkampf auszuführen, wer von ihnen in
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