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Mythor - 034 - Drachenflug

Mythor - 034 - Drachenflug

Titel: Mythor - 034 - Drachenflug
Autoren: Werner K. Giesa
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Außenwänden mussten reichen. Und wenn man einigermaßen schwindelfrei war und sich daran gewöhnt hatte, an einer Hauswand empor zu klettern, klappte das auch.
    Es gab ein besonderes Gebäude in der riesigen Speicherburg, die sich über die gesamte Fläche des Tafelbergs erstreckte und teilweise darüber hinaus, an den östlichen und südlichen Hängen hinunter. Tausend Schritt in der Länge und siebenhundert in der Breite maß Yarman-Rash und bot damit ein imposantes Bild. Keine andere Speicherburg besaß diese Ausdehnung, keine andere das Fassungsvermögen für Steppengras, das Yarman-Rashs Silos boten, und in keiner Rash lebten so viele Salamiter wie hier. Achad konnte stolz darauf sein.
    Das erwähnte besondere Gebäude mit ebenerdigen Wohnräumen beherbergte die Wohnung des Cran und seiner engsten Angehörigen. Das war in jeder Speicherburg so, doch in Yarman-Rash gab es noch eine Besonderheit. Hier wohnte in dem Haus nicht nur der Cran, sondern noch ein anderes Wesen: der Weise Große Dreifingerauge.
    Der Weise Große saß Achad gegenüber. Er hatte den Cran zu sich rufen lassen, weil er ihm etwas mitzuteilen hatte. Achad war der Aufforderung unverzüglich gefolgt. Es konnte niemals schaden, den Worten eines Weisen Großen zu folgen; nicht umsonst wurden sie mit dieser Bezeichnung bedacht.
    Achads Blick wandte sich vom Fenster ab. Er sah den Weisen Großen an. Unter den Stummen Großen war er wie die anderen Weisen etwas Besonderes, ein hoher Würdenträger jenes Geheimbunds, dem die Stummen angehörten. Wie bei ihnen waren auch bei den Weisen Großen die Münder verschlossen, waren die Weisen unfähig zu sprechen, da durch ihr Schweigen die Sprechorgane verkümmerten. Nur mittels der Zeichen- und Pfeifsprache vermochten sie sich mitzuteilen und auf noch eine andere rätselhafte Weise, die Achad niemals völlig begriff.
    Durch das Fehlen der Lautsprache bedingt, war auch der Weise Große im Grunde namenlos. Seinen Namen »Dreifingerauge« hatte er deshalb erhalten, weil er sich mittels einer Gestik vorstellte, die zu dieser Bezeichnung geführt hatte: Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand wurden ausgestreckt und vor das Gesicht geführt, wobei der Daumen das rechte, der Mittelfinger das linke Auge berührte und der Zeigefinger gegen die Stirn drückte, so als befinde sich dort ein drittes Auge.
    »Die Speicher sind gefüllt, es war ein gutes Jahr«, sagte Cran Achad bedächtig. »Und das Steppengras wächst immer noch prächtig und ist bereits hoch genug für eine neuerliche Ernte.«
    Ruhig hörte der Weise Große ihm zu, langsam nickte er. Offenbar hatte er wegen dieses Problems Achad zu sich kommen lassen.
    »Die Gromme sind fett wie selten früher, wir leben in Wohlstand. Weshalb riefst du mich, Dreifingerauge? Ich gedenke, morgen oder übermorgen Männer auszusenden, das Steppengras zu ernten. Wir werden neue Silos bauen müssen, um die Mengen aufzunehmen.«
    Dreifingerauge machte eine abwehrende Bewegung. Aufmerksam verfolgte der Cran seine Gestik, die Zeichensprache, die er verstand. Die jahrzehntelange Übung, die Dreifingerauge darin besaß, sich auf diese Weise unmissverständlich auszudrücken, und Achads geschultes Auge ergänzten sich.
    Ungünstige Omen, teilte sich ihm der Große warnend mit. Die Zeichen stehen nicht gut!
    Achads Stirn umwölkte sich. »Was soll das bedeuten?« fragte er.
    Wie sich die Wolke des Nichtverstehens über dich legt, so zieht eine schwarze Wolke sich über Yarman-Rash zusammen und verdichtet sich. Hüte dich vor der Macht der Schattenzone. Gefahr droht.
    Langsam beugte sich der Cran vor. Dabei sah er unwillkürlich nach oben, als könne er die schwarze Wolke dort erkennen. Doch dort befand sich nur die Zimmerdecke, sonst nichts.
    »Gefahr? Schattenzone?« stieß er hervor.
    Stell die Ernte zurück! Wir besitzen genügend Gras für lange Zeit. Wenn die Männer hinausziehen, um das Gras einzubringen, werden Tod und Verderben über die Burg kommen. Die Gefahr droht von überall, das Böse ist aktiv wie niemals zuvor und streckt seine gierigen Klauen nach Yarman-Rash aus!
    Cran Achad sah den Weisen Großen schweigend an. Ein ungutes Gefühl begann sich in ihm auszubreiten. Der Weise hatte niemals gelogen, und was er hier von sich gab, war alles andere als angenehm.
    Wie jeder andere wusste er, dass die Schattenzone sich immer weiter ausdehnte, langsam und unregelmäßig nur, aber immerhin. Er wusste auch um die Macht, die dort herrschte und hin und wieder
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