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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)
Autoren: Martina Rosenberg
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meiner Eltern. Schon beim Öffnen der Wohnungstür schlägt mir heftiger Rauch entgegen. »Hallo! Was ist denn hier los?«, frage ich in den Qualm hinein.
    »Nichts passiert!«, ruft meine Mutter zurück und öffnet die Küchentür zum Gang. Der Rauch ist so dicht, dass ich sie kaum sehe.
    »Meine Güte, wie siehst du denn aus?«, fragt sie mich amüsiert. »Als ob du ein Gespenst gesehen hättest!«
    »Sehr witzig!«, entgegne ich. »Du fackelst die Wohnung ab und meinst, es wäre nichts passiert?«
    Wut kommt in mir auf. Wie kann sie nur behaupten, es sei nicht so schlimm? Ein Wunder, dass die Küche nicht brennt. Mittlerweile stehe ich mitten drin, bei weit geöffnetem Fenster, und sehe das Corpus Delicti. In einer Pfanne liegen zwei kleine schwarze Würmchen. Vermutlich waren es mal Bratwürste, inzwischen haben sie nur noch zehn Prozent ihres Volumens.
    »Mein Gott! Ist dir das noch nie passiert?«, fragt sie entrüstet, als sie bemerkt, dass ich die Pfanne entdeckt habe.
    Nein, das ist mir tatsächlich noch nie passiert. Ich schaue meinen Vater an, der im Türrahmen steht und ziemlich unglücklich wirkt.
    »Hast du das denn nicht mitbekommen?«, will ich wissen.
    »Wie denn?«, fragt er zurück. »Die Tür war zu, und deine Mutter war allein in der Küche.«
    »Wie? Du warst in der Küche und hast nicht gemerkt, dass die Würstchen anbrennen?«, frage ich sie.
    »Wie ihr euch hier aufführt! Nur wegen so einem bisschen Rauch«, fährt sie mich an, dreht mir im nächsten Moment den Rücken zu und zischt davon.
    Mich erschreckt nicht, dass ihr etwas in der Küche angebrannt ist, sondern ihre Reaktion darauf. Oder vielmehr, dass sie den Vorfall herunterspielt. Sie wirkt weder erschrocken noch betroffen. Sie ist beleidigt, weil wir ihr Missgeschick bemerkt haben. Ich kann ihr Verhalten nicht verstehen und wende mich meinem Vater zu.
    »Was ist nur los mit ihr?«, frage ich ihn.
    Er aber schüttelt wie so oft nur den Kopf und meint: »Keine Ahnung.«
    Bevor ich der Sache weiter nachgehen kann, höre ich aus dem Treppenhaus meine Tochter rufen: »Maaaamaaa! Telefon! Maaamaaa!«
    Ich sprinte nach oben und befürchte, dass sie das Telefonat schon angenommen hat. Sie steht ganz oben im Dachgeschoss und hält mir den Hörer hin.
    »Hier! Für dich!« Sie grinst.
    Verdammt, was macht sie in unserem Büro?
    »Hallo?«, frage ich in den Hörer.
    Am Telefon ist ein Kunde, wie ich bereits befürchtet habe. Lena weiß eigentlich ganz genau, dass sie Telefonate nicht annehmen darf. Aber ihre Neugierde ist so groß, dass sie gern die Regeln ignoriert. Mich bringt das sehr oft in Verlegenheit. So entschuldige ich mich für meine Tochter. Der Anrufer jedoch lacht nur und meint, er habe selbst Kinder, ich bräuchte mir keine Gedanken zu machen.
    Die mache ich mir aber dennoch. Denn es gelingt mir immer weniger, den Anspruch, den ich an meine Arbeit und an unser Geschäft, an Lena und meine Eltern habe, zu erfüllen. Wenn nicht gerade ein Kunde am Telefon ist, dann kümmere ich mich um unsere Tochter, oder ich renne mal wieder nach unten, um spontan zu helfen. Irgendwie fühle ich mich für alles, was im Haus passiert, zuständig. Es ist schon eine verrückte Situation. Im Erdgeschoss kümmere ich mich um meine Eltern, im ersten Stock bin ich Mutter, und unter dem Dach erledige ich die geschäftlichen Belange. Jens geht es dabei nicht anders. Nur dass er immer wieder mal im Ausland ist, was sich nicht vermeiden lässt. Darum beneide ich ihn tatsächlich des Öfteren.
    Später am Nachmittag bringe ich Lena zum Kinderturnen. Während ich auf der Bank in der Turnhalle sitze und ihr zusehe, hänge ich meinen Gedanken nach. Wie sehr sich meine Mutter in der letzten Zeit verändert hat! Sie wirkt egoistisch, gereizt und weiß alles besser. Das sind völlig neue Wesenszüge, die ich nicht von ihr kannte. Auch ihre Persönlichkeit verändert sich. War sie zeitlebens aufopfernd für ihren Ehemann da, verhält sie sich plötzlich egoistisch und kümmert sich immer seltener um seine Belange. Meinem Vater gefällt das nicht so gut, wie ich beobachtet habe. Er zieht sich mehr und mehr zurück und ist manchmal den ganzen Abend beleidigt. Dann sitzt er neben ihr in seinem Sessel und starrt auf den Boden. Meine Mutter sieht fern und beachtet ihn nicht. Es scheint, als ob sie den ganzen Abend nicht miteinander reden würden.
    Es kommt mir auch so vor, als ob meine Mutter den Haushalt nicht mehr so im Griff hat wie früher. Vielleicht sollte ich ihr
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