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Mutiert

Mutiert

Titel: Mutiert
Autoren: Ulrich Hefner
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entnahm zwei eisgekühlte Sodawasser. Eine der Flaschen öffnete er sofort und nahm einen kräftigen Schluck.
    Hinter dem Verkaufstresen saß eine alte Frau, die ihrem Aussehen nach wohl aus der Karibik stammte. Gene tippte auf Haiti; von dort waren vor ein paar Jahren viele Wirtschaftsflüchtlinge gekommen und hatten sich in Miami und Umgebung niedergelassen. Über dem Tresen hing allerlei Voodoo - Krimskrams: Hühnerkrallen, kleine Püppchen, Ketten und Traumfänger aus Hühnerfedern. Die alte Frau beobachtete Gene argwöhnisch, als er langsam auf die Ladentheke zuschlenderte.
    » Ein heißer Tag heute«, begann er das Gespräch.
    » Nicht heißer als gestern und auch nicht heißer als morgen«, erwiderte die Frau mit tiefer Stimme.
    Gene warf einen Dollar auf den Tisch. » Trotzdem, bei dieser Hitze kann man ja nur trinken, bevor der Hals austrocknet wie die Wüste.«
    Die Frau griff nach dem Dollar und verstaute ihn in ihrer Tasche. Der Platz erschien ihr wohl sicherer als die riesige, altertümliche Ladenkasse.
    Gene wies auf den seltsamen Schmuck, der über dem Tresen baumelte. » Hilft das denn?«, fragte er und wies auf die Traumfänger.
    » Wenn man daran glaubt«, antwortete die Frau abweisend. Gene gewann nicht den Eindruck, dass sie sich gerne unterhielt. Dennoch fragte er sie nach Jean Tarston.
    » Ich kenne keinen Jean Tarston«, kam die Antwort. Für Genes Begriffe eine Spur zu schnell.
    » Ungefähr meine Größe, weiß, rote Haare«, entgegnete Gene. » Wohnt gegenüber in dem gelben Haus. So viele rothaarige Iren gibt es hier in Brownsville nicht.«
    Die Frau zögerte. Gene griff nach einem Zwanziger in seiner Hosentasche. » Heute schon mit Jackson Bekanntschaft gemacht?«
    Die Frau schaute auf den Geldschein. » Grant oder Franklin waren bessere Präsidenten«, antwortete sie.
    » Ich denke, Jackson und Hamilton tun es auch.« Gene kramte einen Zehner aus der Tasche. » Ich hoffe nur, dass dreißig Dollar mehr Wert sind als dieser Tand.«
    Er blickte auf die Traumfänger.
    » Such dir einen schönen aus.«
    » Also, was ist mit Tarston?«
    Die Frau griff nach den Geldscheinen und schob sie in die Tasche ihrer Schürze. » Kein guter Junge«, sagte sie. » Seine Aura ist von schwarzer Magie umgeben.«
    » War er in der letzten Zeit hier?«
    Die Frau zuckte mit der Schulter. » Habe ihn schon seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen.«
    » Hat er Freunde hier im Viertel, eine Freundin?«
    » War mal ein Junge bei ihm. Schwarze Haare, groß und kräftig. Hat überhaupt nicht zu ihm gepasst. Sah aus wie einer der Collegeboys aus den feineren Gegenden. Aber fragen Sie Jake, der war manchmal mit ihm zusammen.«
    » Jake?«
    » Wohnt auch drüben im Keller, nebenan. Aber ich habe nichts gesagt. Sie sind nicht der Erste, der nach ihm fragt.«
    Gene schaute die Frau verwundert an. » Wer hat nach ihm gefragt?«
    » War kein Bulle wie Sie, hatte einen Anzug an, der so viel kostet, dass wir mit dem Geld unser Dach reparieren könnten.«
    » Ich bin kein Bulle«, antwortete Gene. » Wann war der Kerl hier?«
    » Vor einer Woche etwa. Und ich erkenne einen Bullen, wenn er vor mir steht.«
    Gene grinste. Er überlegte, was noch für ihn von Interesse sein konnte.
    » Hat Tarston einen Wagen?«
    » Er fährt eine alte Karre, einen ohne Dach. Er ist rot. Die Marke kenne ich nicht. Für Autos habe ich mich noch nie interessiert.«
    Die Frau erhob sich und kam hinter dem Tresen vor. Sie griff nach einem Traumfänger, der aus roten Federn bestand. » Er wird dir Glück bringen«, sagte sie und reichte ihn Gene.
    Offenbar hielt die Frau das Gespräch für beendet. Alles in allem ein wenig spärlich für dreißig Dollar, dachte sich Gene, als er zur Tür ging.
    » Seien Sie vorsichtig, Mister«, rief ihm die Frau nach. » Der Kerl, der nach dem Rotschopf fragte, trug zwar einen Fünfhundert-Dollar-Anzug, aber er roch nach Schweiß wie ein Stinktier in einem Veilchenstrauß. Und außerdem trug er eine Kanone unter der Jacke.«
    São Sebastião do Uatumã, Amazonasgebiet
    São Sebastião do Uatumá war eine kleine Stadt. Knapp achttausend Einwohner zählte die Gemeinde, zumeist Caboclos – Mischlinge, die aus Ehen von Europäern mit Indios hervorgegangen waren und ihr Geld mit Landwirtschaft, Fischfang und Kautschukgewinnung verdienten. Ein paar kleinere Hotels waren auf Touristen aus, die Bootstouren auf dem Amazonas unternahmen. Ansonsten gab es hier nur einfache Häuser und Hütten. Eine kleine Krankenstation in der
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