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Mut Proben

Mut Proben

Titel: Mut Proben
Autoren: Carsten Jasner
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in Kitzbühel, einer der berüchtigtsten Abfahrten der Welt, zu besuchen, »damit sie mal sieht, was ich eigentlich so mache«. Sie postierte sich an der »Mausefalle«, wo man im beinahe freien Fall bis zu fünfundsiebzig Meter weit fliegt. Auch danach sei es »derart steil und eisig, dass man dort mit Skiern nicht stehen kann«, so Büchel. »Meine Frau sagte danach: Verlange so was nie wieder von mir.« Er hat ihr dann erklärt, »dass ich gelernt habe, wie man sicher runterkommt«. Offenbar hat er sie überzeugt, denn wenn er nun zu einem Rennen fährt, sagt sie zu ihm: »Los, imponiere mir!«
    Der Kriegsreporter Sebastian Junger ist überzeugt, eigentlich müsste jeder Mensch nachfühlen können, was Abenteurer treibt. Denn alle, selbst sicherheitsvernarrte Menschen, würden durch gewisse Risiken angeregt »bis zu dem Punkt, an dem es für sie beängstigend wird. Jeder spürt diese Schwelle. Nur hat es bei Leuten, bei denen diese Schwelle sehr hoch liegt, den Anschein, als würden sie das Risiko suchen«.
    Risiken, würde das bedeuten, sind immer gefühlt. Ebenso wie Sicherheiten: die Sicherheit der eigenen vier Wände, der der Stubenhocker vertraut, genauso wie die Selbstgewissheit des trainierten Abfahrtsläufers. Ihre Risiken bewegen sich lediglich auf unterschiedlichen Leistungsebenen. »Risiko ist ein hochwirksames Stimulans für jeden von uns«, sagt Junger. »Jeder muss es für sich selbst einschätzen«, meint der Taucher Herbert Nitsch.
    Am anschaulichsten erläuterte es vielleicht einmal Jeff Achey, ein amerikanischer Extrem-Kletterer, einer Reporterin der Zeitschrift Newsweek: »Wahrscheinlich sind Sie sich ziemlich sicher, dass Sie von hier bis zur Tür laufen können, ohne ins Stolpern zu geraten. Und genauso ist es für mich beim Klettern – das ganz normale Gefühl, mich mit den Fingerspitzen abstützen zu können, während ich an einer Felswand hänge.« 15
    Wir bewundern den Wagemut von Abenteurern, als seien sie von einem anderen Stern. Doch die Unterschiede zwischen uns und ihnen sind graduell. Sie fühlen sich ähnlich sicher wie wir. Wir sind ähnlich wagemutig wie sie – wenn auch in anderen Bereichen. Das klingt wie eine äußerst wagemutige Behauptung, leicht übermütig. Doch es gibt ein außergewöhnliches Experiment, das belegt: Alle Menschen lieben Risiken.
    2 »Was ist ein Abenteuer«, Interview in: Geo Special, Abenteuerreisen, 2008.
    3 »Ich lebe«, Interview in: Der Spiegel, 43/2009.
    4 Mohr, Joachim: »Abstieg in die Wasserhölle«, in: Spiegel Special, November 2007.
    5 »Felix Baumgartner«, Interview in: The Red Bulletin, Februar 2010.
    6 »Risk is extra life«, Interview in: McK Wissen, 02/2002.
    7 »Schwarze Gedanken«, Interview in: Der Spiegel 31/2010.
    8 »Ich glaube immer bis zum Schluss, dass es geht«, Interview in: Süddeutsche Zeitung, 25.3.2008.
    9 »Was ist ein Abenteuer«, Interview in: Geo Special, Abenteuerreisen, 2008.
    10 Pfeil, Gerhard: »Ein Ami gegen Austria«, in: Der Spiegel, 24.1.2005.
    11 »Gleich wird die Hölle heiß«, Interview in: Der Spiegel, 29.1.2007.
    12 »Sieg oder Sarg«, Interview in: Stern, 6.3.2008.
    13 »Wir steigen den Berg hinauf, um zurückzukommen«, Interview in: Berliner Zeitung, 10./11.11.2007.
    14 Weeks, David: »Extrem-Abenteurer leben länger«, Interview in: Geo Saison 9/1996.
    15 Apter, Michael: »Im Rausch der Gefahr«, München 1994.

Psychologie im freien Fall. Die Entdeckung des Risikotriebs
    An einem Nachmittag im Juli 1982 steigt ein Mann im blauen Overall, mit Helm und Rucksack in eine einmotorige Sportmaschine auf dem Flugplatz Kassel-Calden. Es ist der Psychologiestudent Rüdiger Trimpop auf dem Weg zu seinem ersten Sprung. Er ist aufgeregt, dieser Tag wird ein besonderer sein, aber er kann nicht ahnen, dass sein Fall sein weiteres Lebens bestimmen wird.
    Der kräftige, einen Meter neunzig große Mann quetscht sich auf einen Sitz am Fenster. Als das Flugzeug abhebt, sieht er zu, wie sich ihm langsam der Boden entzieht. In der Maschine sitzen außerdem der Trainer und zwei weitere Anfänger: eine sechzehnjährige, etwas schüchterne Schülerin und ein zweiundsechzigjähriger pensionierter Richter vom Bundesgerichtshof. Auf vierzehnhundert Meter sollen sie raus.
    Der Propellermotor röhrt, der Rumpf vibriert, der Richter ist blass. Trimpop dreht sich um und mustert das Mädchen. Zwischen seinen glühenden Wangen erkennt er eine Mischung aus Angst und Freude. Es versucht zu lächeln. Trimpop schließt die Augen. Dies
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