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Mut Proben

Mut Proben

Titel: Mut Proben
Autoren: Carsten Jasner
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würde. Aber was bringt mir das, wenn ich am Ende stürze und mich vielleicht schwer verletze?«
    Miller: »Jetzt bin ich erfahrener – als mit Anfang zwanzig –, habe ein besseres Gespür für mich und meine Ski. Ich kann meine Rennen kontrollieren.«
    Huber: »Mit dem Alter werden die mentale Kraft und die taktischen Fähigkeiten besser. Heute weiß ich, welche Bewegungen an der Wand gefährlich sind und welche nicht.«
    Früher also nicht? Erfahrung scheint wichtig, die meisten Abenteurer in der Runde sind nicht zufällig um die vierzig Jahre alt, irgendwie haben sie ihren jugendlichen Übermut überlebt. Michael Schumacher hat vor ein paar Jahren eine neue Sportart entdeckt: Motorradrennen. Ein halbes Dutzend Mal hat er sich bereits hingelegt. Fährt da der Unerfahrene leichtsinnig jenseits seines Limits?
    Schumacher: »Ich würde es eher das Ausloten von Grenzen nennen. Hinfallen, das kann passieren, aber im Normalfall tut das auf einer Rennstrecke nicht weh, weil man einfach nur rutscht. Das Risiko halte ich für kalkulierbar. Diese sogenannten Unfälle waren Wegrutscher, bei denen ich mir nicht einmal blaue Flecken holte.«
    Am Schleierwasserfall in Tirol hat sich Alexander Huber einmal wochenlang an einer fünfundzwanzig Meter hohen, stark überhängenden Wand abgemüht. In sechs Meter Höhe erreicht der Kletterer eine äußerst schwierige Stelle. Überwindet er sie, kann er nicht mehr zurück, er muss bis nach oben durchsteigen. Es ist der sogenannte Point of no Return.
    Huber: »Zweimal bin ich an diesen Punkt herangeklettert und wieder runter. Ich spürte ein leises Muskelzittern. Ich konnte die Angst nicht kontrollieren, ich war zu nervös und hatte zu viel Adrenalin im Blut.«
    Er trainierte weitere zwei Wochen, setzte dann zum dritten Versuch an. »Ich kam an die Schlüsselstelle und habe gespürt, dass ich weiterklettern kann. Ich musste eine Art Sprung machen, einem dynamischen Kletterzug. Alle Muskeln haben gleichzeitig hundert Prozent gegeben. Ich habe über eineinhalb Meter nach oben gegriffen. Dann haben sich meine Finger in den Felsen gekrallt, und für einen kurzen Zeitpunkt hing ich nur noch mit meinen Fingerkuppen an der Wand dran. Das war eine geniale Grenzerfahrung.«
    Aber da hat er doch nun wirklich Kopf und Kragen riskiert.
    Huber: »Nein. Es war Können. Und zwar deshalb, weil ich es mir einfach nicht vorstellen konnte, dass ich runterfalle.«
    Na, super. Man muss sich also bloß vorstellen, es passiere nichts, und dann passiert auch nichts?
    Huber: »Da war mein Selbstvertrauen riesig.«
    Kaltenbrunner: »Ich glaube immer bis zum Schluss, dass es geht.«
    Baumgartner: »Ich höre auf meine innere Stimme, die sagt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin.«
    Messner: »Ich setze das Leben ein und gewinne damit Lebensfreude und Lebenslust.«
    Miller: »Es ist die Mischung, die den Champion macht. Physis, Selbstvertrauen und nicht zu vergessen: Fleiß.«
    Wahrscheinlich eine ziemlich gute Zusammenfassung der Rezeptur für einen Abenteurer, die Bode Miller, der Jüngste in der Runde, liefert. Eine Zutat sollte man noch hinzufügen: Neugier.
    Ihre »Hauptmotivation ist die Neugier auf sich«, sagt der schottische Neuropsychologe David Weeks. Er hat Abenteurer und andere Exzentriker untersucht und unterstellt ihnen Voyeurismus. »Sie sind Voyeure ihrer selbst. Wer einen fast senkrechten Hang hinunterwedelt, beobachtet die Kraft seines Körpers, wie der auf die Gefahr reagiert.« 14 »Mir geht es nicht um die Natur draußen«, sagt Reinhold Messner. »Mir geht es um die Menschennatur.« Scheitern oder Krisen nähmen diese Leute nicht persönlich, »Misserfolg betrachten sie als interessante Erfahrung«. Nicht zuletzt deshalb lebten sie länger. Die meisten Extrem-Abenteurer seien Optimisten, und »solange sie bei ihrer Leidenschaft nicht tödlich verunglücken, leben sie ein erfülltes, glückliches, langes Leben. Häufig wirken sie auch jünger, als sie sind.«
    Das darf man getrost auch über die zehn Experten in unserer Runde behaupten, die sich nun langsam auflöst – die Kekse sind alle, am Wein wurde nur hier und da genippt. Es ist für Grenzgänger nicht leicht, Normalbürgern zu vermitteln, was sie tun. Im Grunde versuchen sie zu erklären, dass sie zwar Risiken eingehen, aber bewusst und mit Lust – und dass es darum nicht gefährlicher sei, als für die große Masse der Menschen, durch den Straßenverkehr zu eilen. Marco Büchel bat einmal seine Frau, ihn an der Hahnenkammabfahrt
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