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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung
Autoren: William Gibson
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Sleepmodus; der Sensor blinkt leise vor sich hin.
    Hier zeigt sich Damiens gespaltenes Verhältnis zum Thema
    Design: Innendekorateure läßt er nur über die Schwelle, wenn sie quasi versprechen, nicht das zu tun, was ihr Job ist, aber sein Mac ist ihm lieb und teuer, weil man ihn auf den Kopf stellen und mittels eines kleinen Aluzaubergriffs die Innereien heraus-nehmen kann. Wie das Geschlechtsteil der Robotergirls in seinem Video, geht ihr jetzt auf.
    Sie setzt sich in seinen hochlehnigen Bürosessel und drückt die Taste der transparenten Maus. Infrarotflackern auf dem hellen Holz der langen Schreibtischplatte. Der Browser kommt hoch. Sie gibt Fetish:Footage:Forum ein, was Damien mit seiner Virenangst niemals bookmarken würde.
    Die Startseite baut sich auf, so vertraut wie das Wohnzimmer eines Freundes. Ein Frame-Grab aus #48 dient als Hintergrund, düster und fast monochrom, keine Personen. Das ist eine der Sequenzen, die Vergleiche mit Tarkowski provozieren. Von Tarkowski kennt sie eigentlich nur ein paar Stills, obwohl sie einmal bei Stalker im Kino eingeschlafen ist; eine Endloseinstel-lung, Pfütze auf kaputtem Mosaikboden, senkrecht von oben in Großaufnahme. Aber sie gehört nicht zu denen, die sich viel davon versprechen, die vermeintlichen Einflüsse auf den Filmemacher zu analysieren. Der Clip-Kult unterteilt sich in jede Menge Untersekten, die alle möglichen Einflüsse erkannt haben wollen: Truffaut, Peckinpah … Die Peckinpah-Fraktion, deren Theorie wohl die abwegigste ist, wartet immer noch darauf, daß geballert wird.
    Sie geht jetzt ins eigentliche Forum, überfliegt automatisch die Titel der Postings und die Namen der Absender in den neueren Threads, hält Ausschau nach Freunden, Feinden, Neuigkeiten. Eins ist allerdings auf den ersten Blick klar: daß kein neuer Clip aufgetaucht ist. Der letzte war dieser lange Strandschwenk, wobei sie allerdings nicht die Auffassung teilt, daß es sich dabei um Cannes im Winter handelt. Auch die französischen Clipheads, die stundenlang ähnliche Szenerien gefilmt haben, konnten kein überzeugendes Pendant liefern.
    Außerdem sieht sie, daß ihr Freund Parkaboy wieder in Chicago ist, zurück von seinem Amtrak-Trip nach Kalifornien, doch als sie sein Posting öffnet, stellt sie fest, daß er buchstäblich nur Hallo sagt.
    Sie klickt auf Beantworten, gibt als Usernamen CayceP ein.
    Hi, Parkaboy. nt.
    Als sie auf die Forumseite zurückgeht, ist ihr Posting da.
    Das ist so eine Art transportables Zuhause. Das Forum ist
    inzwischen einer der konstantesten Orte in ihrem Leben, wie ein vertrautes Café irgendwie jenseits von Geographie und
    Zeitzonen.
    Es gibt etwa zwanzig Leute, die regelmäßig im F:F:F posten, und eine unbekannte, aber wesentlich größere Zahl von Mitle—sern. Im Moment sind drei Leute im Chat, aber wer das ist, weiß man erst, wenn man selbst drin ist, und im Chatroom
    fühlt sie sich nicht so wohl. Es ist komisch dort, selbst mit Freunden, als ob man in einem stockdunklen Keller sitzt und über eine Entfernung von fünf Metern miteinander redet. Das hektische Tempo, die Kürze der Mitteilungen im Thread und
    das Gefühl, daß alle durcheinanderquasseln, das schreckt sie ab.
    Der Cube seufzt leise und macht subliminale Festplattengeräusche, wie ein Oldtimer-Sportwagen, der auf einem fernen Freeway dahinschnurrt. Sie nippt an ihrem Tee-Ersatz, aber er ist noch zu heiß. Diffuses graues Licht dringt jetzt in den Raum, enthüllt Damiena, die die Renovierung überdauert haben.
    An einer Wand lehnen demontierte Roboter, zwei davon nur
    Torsi mit Köpfen, eindeutig weibliche Crashtest-Dummies. Das sind Requisiten aus einem von Damiens Videos, und sie fragt sich, warum sie die beiden selbst in dieser Stimmung so tröstlich findet. Wahrscheinlich, weil sie einfach schön sind, vermutet sie. Optimistische Darstellungen des Weiblichen. Kein Sci-Fi-Kitsch, nicht bei Damien. Traumwesen im Morgenzwielicht, die kleinen Brüste schimmern, weißes Plastik mit dem sanften Glanz von altem Marmor. Und doch privater Fetischismus; sie weiß, daß sie nach einer Ganzkörperabformung seiner vorvor—letzten Freundin gegossen wurden.
    Hotmail zeigt vier Mails an, von denen sie keine aufmachen mag. Einmal ihre Mutter, dreimal Spam. Der Penisverlängerer ist immer noch hinter ihr her, gleich zweimal, außerdem soll sie ihren Brustumfang dramatisch vergrößern.
    Sie löscht den Spam. Trinkt ihren Tee-Ersatz. Sieht zu, wie das Grau tageslichtähnlicher
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