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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen?
Autoren: Evelyn Sanders
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nirgendwo so gut schmeckt wie im Land der Apfelsinenplantagen. Ich habe wirklich schon sämtliche Säfte durchprobiert, die in der Fernsehwerbung immer so beredt als ›von Frischgepreßten kaum zu unterscheiden‹ angepriesen werden, aber leider bin ich noch nie dem netten Mann begegnet, der einem immer die Augen verbindet, bevor man trinken darf. Dem hätte ich nämlich einiges zu sagen gehabt!
    Nach der fünfundvierzigsten Gesprächseinheit hatte mich Frau Marquardt so mürbe gemacht, daß sie mir die Reiseunterlagen schicken durfte. Ja, ich würde sie mir genau ansehen und mich wieder melden. Bis dahin erst mal tschüs und schönen Abend noch.
    Israel! Wer fährt da schon hin, wenn er nicht muß? Irene vielleicht wegen ihrer Blumenzwiebeln, aber doch nicht ein normaler Mensch mit normalen… Moment mal, wenn ich sie zum Mitkommen überreden könnte, sähe die Sache möglicherweise anders aus. Zu zweit macht eine Reise viel mehr Spaß, man hat jemanden, mit dem man reden (und lästern!) kann, braucht nicht ständig mit der ganzen Gruppe herumzupilgern, kann mal auf eigene Faust losziehen und ist trotzdem nicht ganz allein. Und überhaupt ist Irene ein sehr brauchbarer Partner, weil sie nie den Kopf verliert. Das hatte sie schon als Teenager auf einem Schulausflug bewiesen, als ein Mädchen von einer Kreuzotter gebissen worden war und niemand gewußt hatte, was wir tun sollten. Sogar unsere Lehrerin war wie ein aufgescheuchtes Huhn herumgeflattert und hatte nach einem Arzt geschrien, der auf der unbewohnten Havelinsel natürlich nicht aufzutreiben gewesen war.
    Irene hatte mit einem Taschenmesser die winzige Wunde vergrößert, das Blut ausgesaugt und danach mit einem Gürtel den Arm abgebunden. Die Rettungsmedaille hatte sie zwar nicht bekommen, jedoch ein dickes Lob vom Arzt und später eine Privataudienz bei unserem Direx, der ihr zur Belohnung zwei nagelneue Schreibhefte in die Hand gedrückt hatte. Die waren vor der Währungsreform mehr wert gewesen als jeder Orden.
    Frau Marquardt hielt Wort. Zwei Tage nach ihrem Anruf blätterte ich die Unterlagen durch, verfolgte auf der dazugelegten Karte die Reiseroute und mußte zu meinem Bedauern feststellen, daß ein Abstecher zum Roten Meer nicht vorgesehen war. Das wäre doch wenigstens was gewesen! Strand, Sonne und Schwimmen im warmen Wasser. Allerdings soll es im Roten Meer Haie geben, und die Wahl zwischen erschossen zu werden oder als Fischfutter herhalten zu müssen hätte den gleichen Endeffekt gehabt. Das Tote Meer dagegen war ungefährlich; dort kann man ja nicht mal ertrinken. Das zumindest würden wir ausprobieren können. Mal hören, was Irene dazu sagt.
    Ich hatte sie ohnehin anrufen und mich über die miserable Qualität ihrer Zwiebeln beschweren wollen. Gleich nach meiner Rückkehr aus Berlin hatte ich die Knollen vorschriftsmäßig im Boden versenkt, sogar frische Blumenerde daraufgehäufelt und jeden Tag gewartet, daß irgendwas Grünes zum Vorschein kommt. Jetzt, nach sechs Wochen, war noch immer nichts zu sehen.
    Irene nahm meine Reklamation mit bewundernswertem Gleichmut entgegen. »Eigentlich hatte ich vorausgesetzt, daß du des Lesens kundig bist und darüber hinaus sogar weißt, daß Krokusse zu den Frühjahrsblühern gehören. Im März wirst du einen buntgesprenkelten Rasen haben.«
    Na bravo! Und ich hatte die Zwiebeln in einer Reihe neben der Terrasse in den Boden gesteckt, wo sie im März bestimmt nicht zur Geltung kommen würden, weil um diese Zeit kein Mensch draußen sitzt.
    »Und woher, bitte schön, hätte ich wissen sollen, daß aus diesem Trockengemüse Krokusse werden? Ich bin kein Botaniker, der die lateinischen Abkürzungen in verständliche Begriffe übersetzen kann. Bifl. ssp. Alex. klingt so ähnlich wie das,was Ärzte auf ihre Rezepte schreiben.«
    Ein paar Minuten blödelten wir herum, dann kam ich zum eigentlichen Grund meines Anrufs. »Hast du Lust, mit nach Israel zu kommen?«
    Sie hatte keine. Eine andere Antwort hatte ich auch gar nicht erwartet. Immerhin brauchte ich erheblich weniger Gesprächseinheiten als Frau Marquardt, um Irene zur Lektüre der Prospekte zu überreden. »Ich schicke sie heute noch ab«, versprach ich. »Und denk daran: Wenn du deine Zwiebeln beim Erzeuger selbst abholst, kannst du die Fahrt als Geschäftsreise steuerlich absetzen.«
    »Du doch auch.«
    »Wie denn? Ich handle nicht mit Grünkram.«
    »Dann schreibst du eben ein Buch über die Fahrt!«
    Sollte einigen von Ihnen schon ein früheres
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