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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen?
Autoren: Evelyn Sanders
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eurem Marschgepäck bestimmt finden.« Mit dem Berg Klamotten, den die Mädchen mitgenommen hatten, wäre ich eine Woche lang ausgekommen.
    Auch dieser Abend war gerettet, nur endete er weniger festlich bei McDonald’s mit Cheeseburger und Chefsalat. Die Zwillinge hatten schon wieder Hunger gehabt, die in erreichbarer Nähe gelegenen Imbißstätten waren aber bereits geschlossen.
    Die Filmstudios fanden wir erst nach einer längeren Irrfahrt, weil sie nirgends ausgeschildert sind. Offenbar hatte jede Münchner Schule mindestens eine Klasse zwecks Besichtigung von Windmaschinen und Pappkulissen nach Grünwald entsandt (derartige Unternehmen sind unter der Bezeichnung ›Wandertag‹ fester Bestandteil jedes Lehrplans), denn es wimmelte nur so von Jugendlichen aller Altersstufen. Sie hatten erheblich weniger Schwierigkeiten als ich, durch Blechröhren zu kriechen (›das Boot‹) oder eine Hühnerleiter zu besteigen, um einen Blick in die ›Raumstation‹ zu werfen.
    Nach drei Stunden Wanderung durch die Filmstadt war ich fußlahm und sämtlicher Illusionen beraubt. Die letzte ging flöten, als uns die Sache mit dem fahrenden Auto demonstriert wurde. Das steht auf einem Stück Straße, parallel dazu eine dicke drehbare Säule, auf die die gewünschte Kulisse geklebt wird. Hinten rütteln zwei Mann, damit das Auto ein bißchen vibriert, die Säule dreht sich, und prompt erweckt das Ganze später den Anschein, als führe der Wagen einen Waldweg entlang. Sieht man allerdings genau hin, wird man feststellen, daß der Baum mit dem angeknickten Ast immer wieder auftaucht. Doch wer achtet schon darauf, wenn der Held hinterm Steuer gerade einen Revolver im Nacken hat. Im übrigen vermute ich, daß diese Säule ein Relikt aus der Stummfilmära ist.
    Endlich war auch der letzte Programmpunkt abgehakt, und wir konnten die Heimreise antreten. Die Zwillinge waren von diesem Geburtstagsgeschenk so begeistert gewesen, daß sie mir im darauffolgenden Jahr einen Gutschein über drei Tage Nürnberg präsentierten. Der Termin fiel genau auf die Hundstage. Es war so blödsinnig heiß, daß wir uns von einer Eisbude zur nächsten schleppten und die Nachmittage in kleinen Tretbooten auf einem Badesee verbrachten, weil es da ein bißchen windig war.
    Mal schauen, welches Ziel sie sich als nächstes ausgeguckt haben. Vielleicht Hamburg, da sind sie auch noch nicht gewesen.
    Meine richtigen Will-Reisen sehen natürlich ganz anders aus. Sie finden meistens im Winter statt und heißen Urlaub. Für die Sommerferien habe ich schon längst einen Ort entdeckt, der ruhig und vom Massentourismus völlig unberührt ist: den eigenen Garten. Die Nachbarn samt ihren schulpflichtigen Kindern sind alle verreist, die Rasenmäher schweigen, sogar der Kaffee schmeckt nach Kaffee, weil er nicht mit dem Duft von Grillwürsten aromatisiert wird.
    Dagegen gibt es drei gute Gründe für einen Winterurlaub in warmen Ländern: Januar, Februar, März!
    Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis Rolf und ich zu der Erkenntnis gekommen waren, daß bei gemeinsamen Ferien immer einer von uns beiden den kürzeren gezogen hat. Er kann die Hitze nicht vertragen, findet Strandspaziergänge langweilig, schwimmen im Meer noch langweiliger und begreift nicht, wie man sich stundenlang mit einem dicken Buch in der Hand auf einer Liege aalen kann.
    Ich dagegen habe nichts für die Berge übrig und noch weniger für kleine Moseldörfchen mit ihren romantischen Winkeln, die angeblich jedes Malerherz entzücken. Während der Künstler abwechselnd über seinem Aquarell und der Moselweinflasche sitzt, pilgere ich die vier Dorfstraßen rauf und runter und werde höchstens mal gebraucht, um in der mitgebrachten Konservendose frisches Wasser vom Brunnen zu holen. Nach anderthalb Stunden ist die Flasche leer und das Bild fertig.
    Steht die Sonne günstig, zieht der Künstler zweihundert Meter weiter und fängt ein neues an.
    In den Bergen ist es so ähnlich. Da wird erst mal gewandert, um das richtige Motiv zu finden, und dann darf ich mich auf eine Wiese setzen und den Kühen beim Wiederkäuen zugucken.
    Trotzdem hat es noch weitere fünf Jahre gedauert, bis wir auf den naheliegenden Gedanken gekommen waren, künftig unseren Urlaub getrennt zu verbringen. Er im Sommer, ich im Winter. Der stand nun vor der Tür, so daß ich meine berechtigten Ansprüche anmelden konnte. Allerdings hatte sich der Familienrat zusammengefunden, um mir meine ›hirnrissigen‹ Pläne auszureden.
    »Warum mußt du
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