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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Autoren: Matthias Falke
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Spektrums, im Röntgen- und Gammastrahlenbereich, war die Große Depression durchflutet von Energie. Wären unsere Netzhäute auf Piko- statt auf Nanometerwellen empfindlich, wir würden uns vor brennender Helligkeit nicht retten können. So lief die Abschirmung unseres Gefährts schon bald auf über einhundert Prozent, verschlang zusätzlich Energie und erzeugte ein blau schimmerndes Halo, das sich spindelförmig vom Bugschild zu den Heckreaktoren spann.
    Die Räume, die wir durchreisten, wurden immer älter. In großen Entfernungen, jenseits unserer Reichweite, drifteten kränklich wirkende Nebel durch die Finsternis wie sterbende Wale durch die Polarnacht. Es gab nicht die charakteristischen sanftroten, fruchtwasserfarbenen Sternenentstehungsregionen in ihnen, wo mit hell erstrahlenden Explosionen neue Sonnen geboren wurden. Ihre Feuer waren ausgebrannt. In dem gelblichen Ton des Haars sehr alter Menschen glommen sie noch eine Weile kraftlos vor sich hin, ehe die letzten ihrer Leuchtfeuer erloschen. Selbst wenn wir sie hätten erreichen können, wären sie für uns unergiebig gewesen, denn ihre Sterne hatten sich zu Roten Riesen aufgebläht, sie zerfetzten sich zu gewaltigen Novae, die ihre grauen Schleier in den Raum schleuderten. Die leichten Elemente, Wasserstoff und Helium, waren in ihnen verbrannt. Schwere Elemente der Kohlenstoffreihe, die unsere Reaktoren ohne aufwendige Umrüstungen nicht nutzen konnten, waren daraus hervorgegangen. Wir ließen sie links liegen und flogen weiter. Die Welt wurde immer kälter, immer leerer, immer dunkler. Gleichviel, wo und wann wir hier wirklich waren, wir warfen einen eindringlichen und desillusionierenden Blick in unsere fernste Zukunft, viele Billionen Jahre nach dem immer zweifelhafter werdenden Heute.
    Am Ende des dritten Tages drosselte Jennifer die Generatoren. Zwar waren unsere Plasmavorräte noch nicht bis aufs Letzte aufgebraucht, aber wir wollten uns noch eine gewisse Reserve zurückbehalten, um operationsfähig zu sein und uns einen kleinen Radius der Erreichbarkeit bei konventionellem Antrieb zu sichern. Nichts wäre tragischer, als in wenigen tausend Kilometern Entfernung von einer Gaswolke aus dem Warpraum herauszukommen und sie dann nicht anfliegen zu können, weil wir unseren Treibstoff bis auf den letzten Tropfen ausgegeben hatten.
    Jennifer, wie immer im sensoriellen Unterzeug, barfuß und mit hochgestecktem Haar, war schweigend nach vorne geklettert, hatte sich über die Lehne des gravimetrischen Sessels gestreckt und das Bedienfeld betätigt, das die Reaktoren abschaltete. Dann kauerte sie sich im Schneidersitz zusammen und setzte, leise vor sich hinmurmelnd, die Berechnungen fort, in denen sie schon seit mehreren Tagen befangen war. Ich saß auf der rückwärtigen Bank und starrte vor mich hin wie ein Passagier, der sich nicht der Mühe unterzog, seinen Platz zu verlassen und aus dem Fenster zu sehen, weil er wusste, dass die Fahrt jeden Augenblick fortgesetzt werden würde.
    Unsere Reichweite betrug nur noch einige hunderttausend Lichtjahre; ein Katzensprung in diesem vieldimensionalen Ozean von Raum, der in jeder Richtung nach hunderten von Millionen Parsec bemessen war. Wider meinen Willen begann mein Geist auf eigene Faust absurde und unappetitliche Berechnungen durchzuführen. Wie lange würde der Sauerstoff noch reichen, wie lange das Trinkwasser, wann würde das Shuttle auszukühlen beginnen?
    Die Triebwerke waren blubbernd erloschen. Das dumpfe Dröhnen des Feldgenerators erstarb; es war stets nur in dieser Phase hörbar, denn wenn er auf vollen Touren lief, war sein Donner, der das Schiff durchzitterte, ebenso wenig wahrnehmbar, wie wenn er ganz abgeschaltet war. Ich spürte weder Hunger noch Müdigkeit, aber ich fürchtete, dass es sich noch sehr lange hinziehen würde. Sollten wir ein letztes Mal miteinander schlafen? Uns ganz verausgaben? Noch einmal sehr hell brennen – und dann erlöschen?!
    Jennifer murmelte weiter vor sich hin, über ihr MasterBoard gebeugt. »So könnte es gehen«, hörte ich. »Wenn wir es richtig anstellen, wieso eigentlich nicht ...« Sie kaute auf einer Haarnadel und tippte auf der Tastatur herum. Dann wischte sie wieder durch die holographischen Anzeigen oder berührte die virtuellen Symbole, die gläsern vor ihrem Gesicht schwebten. Plötzlich schaltete sie das Board ab, warf es neben sich auf die gravimetrische Liege und sprang auf. Selbst angesichts des unmittelbar bevorstehenden Endes strahlte sie noch Elan
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