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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Autoren: Matthias Falke
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Mauer, schien an seinem entgegengesetzten Ende sanft zu verlaufen. Das ganze Galaxienfeld glich einem Brecher, der im knisternden Sand auslief. Aber wo war der Widerstand, der diese Brechung hervorgerufen hatte. Wo war der Kontinentalschelf, der diesen Tsunami in die Höhe getrieben und ihm seine Wucht gegeben hatte? Jennifer vermutete, dass es sich um die Stoßfront des Big Bang handelte, die das Universum durchzog. Aber konnte die Druckwelle, die den Kosmos in einer gewaltigen Explosion geschaffen hatte, in diesem selbst anzutreffen sein?
    »Wo sonst?«, entgegnete Jennifer. »Es gibt nichts außer dem ganzen. Wir wissen, dass die Kosmische Hintergrundstrahlung ein Echo der Weltentstehung ist. Warum sollte es im Universum nicht Interferenzen geben, stehende Wellen, in denen die Resonanzen des ursprünglichen Schocks aufeinander trafen und sich überlagerten?«
    Das Große Manifest entließ uns zögernd. Es war, wie wenn man ein Gebirge verlässt. Die Berge werden niedriger. Endlich gibt es nur noch Vorberge, Moränenwälle, Hügel. Dann öffnen sich Seenplatten. Es ist nicht auf den letzten Schritt genau zu bestimmen, wo man aus einem in das andere kommt, aber irgendwann steht man im Abendlicht auf einem letzten rundlichen Geschiebehügel, hat die Gletscherzinnen im Rücken und die Ebene vor sich. So ging es uns, als wir zum letzten Mal einen protostellaren Wasserstoffnebel anflogen. Die Materiekonzentrationen lagen jetzt schon so weit auseinander, dass wir mehr im Zickzack als geradeaus fliegen mussten, um noch von einer zur anderen zu gelangen. Während die Filter Plasma aus dem Gespinst molken, versuchten wir uns über unsere Lage klar zu werden und eine weitere Entscheidung zu treffen. Sollten wir weiterfliegen? Aber gab es überhaupt noch ein Zurück? Ich spürte das Gewicht, mit dem die bereits zurückgelegte Strecke auf uns lastete.
    Andererseits wurde ich den Verdacht nicht los, dass der Korridor, der jetzt vor uns lag, denjenigen vor dem Großen Manifest in dem gleichen Maßstab übertraf, wie dieses die Große Mauer. Dann würden wir in einer uferlosen Verlassenheit stranden, ohne Chance, unsere Vorräte aufzufüllen oder an einem massiven Körper festzumachen.
    »Wir haben mit Mühe und Not den Atlantik überquert«, sagte ich, »und jetzt willst du uns über den Pazifik hetzen?!«
    Denn ihre Meinung brauchte ich nicht eigens einholen; ich konnte sie in dem konzentrierten, nach innen gewandten Glosen ihrer Augen lesen. Sie lächelte nachsichtig.
    »In der Bibliothek meines Vaters«, begann sie, »gab es viele alte Reise- und Expeditionsberichte. Ich liebte es, darin zu schmökern. Deshalb habe ich auch das Logbuch des Columbus gelesen und die Aufzeichnungen Magellans. Was glaubst du, was geschehen wäre, wenn Columbus Matrosen gemeutert und die Umkehr erzwungen hätten, einen Tag bevor die Küste San Salvadors über den Horizont gekommen wäre?«
    Ich winkte ab. »Columbus’ Fahrt dauert eine paar Wochen, und sie war vom Passat begünstigt. Verglichen mit Magellans Expedition war sie ein lockerer Segeltörn. Die Durchquerung des Pazifik dauerte einhundert Tage, die Männer verhungerten, oder sie warfen sich gegenseitig über Bord, um die verschimmelnden Vorräte auf weniger Köpfe verteilen zu können.«
    Ich wusste, dass ich Jennifer nicht überzeugen konnte. Es war nur ein Plauderstündchen, ein letztes Kaffeekränzchen im Hafen.
    »Columbus hat einen Kontinent entdeckt«, sagte sie. »Aber erst Magellan hat einmal die Reise um die Welt gemacht; er hat uns das wahre Bild unserer Welt geschenkt.«
    »Und ist dafür gestorben«, entgegnete ich düster.
    Ich sah zu den Bugscheiben hinaus. Rechts und links hingen noch einige milchige Zwerggalaxien im Raum. Aber nach vorne öffnete sich eine neuerliche gähnende Leere. Ein Abgrund, über dessen Tiefe wir nur spekulieren konnten. Unsere Reichweite war begrenzt. Obwohl sie sich phantastisch ausnahm im Vergleich zu allem, was Menschen jemals geleistet hatten, war sie lächerlich gering gemessen an den Räumen, in denen wir unterwegs waren. Den Korridor jenseits der Großen Mauer hatten wir mit letzter Kraft überwunden. Die Traverse des Großen Manifests hatte uns vier Zwischenstops abverlangt. Und die Öde, die jetzt vor uns lag, war ohne alle Grenzen. Einzelne Neutronensterne oder Schwarze Löcher mochten darin umherziehen, in ihrer eigenen Dunkelheit und Gefräßigkeit verborgen. Aber es gab keine leuchtenden Körper und nichts, was auf das Vorhandensein
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