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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Autoren: Matthias Falke
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offenen Plasmas oder anderer Energieträger hingedeutet hätte.
    »Komm schon«, sagte Jennifer. »Willst du alles wieder zurück? Und dann?«
    Irgendwo hatte sie recht. Die Ressourcen reichten für den Rückweg nicht mehr aus. Allerdings peinigte der Hunger mich, und das Eingeschlossensein in dem winzigen Shuttle belastete meinen Schlaf. Mit einem Seufzen nickte ich ihr zu und deutete mit müder Gestik das Good-to-Go-Zeichen an.
    Sie strahlte und machte sich daran, das Schiff auf eine neuerliche Herausforderung vorzubereiten. Auf die sinesischen Aggregate war Verlass. Ich bezweifelte, dass ihre Konstrukteure sich hätten ausmalen können, was ihren Generatoren abverlangt würde. Die Tanks waren bis zum letzten Milliliter gefüllt. Unsere Vorräte an Nahrung waren nicht mehr der Rede wert, aber Jennifer war überzeugt, dass wir eine weitere Woche durchhalten würden. Wir hatten die Umgebung auch immer wieder auf das Vorkommen von Leben gescannt, denn nur dort würde es etwas Essbares für uns geben.
    Aber die Suche war ergebnislos verlaufen. Rechts und links unserer Route schien alles tot zu sein.
    Mit einem letzten Blick nahmen wir Abschied vom rar gewordenen Licht. Einige irreguläre Galaxien, wie schmutzige Wattebäusche und verfilzte Wollknäuel, gaben uns das Geleit. Dann zündete Jennifer die Reaktoren. Der oszillierende Warp nahm wieder seine stupende und routinierte Arbeit auf. Die letzten schwachen Nebel und vereinzelten Sterne fielen zurück. Wir flogen in den neuen Korridor ein, dessen lichtlose und unabsehbare Weiten uns mit pathetischer Gleichgültigkeit aufnahmen. Bald waren die letzten Lichtquellen nach achtern verschwunden. Wir bewegten uns durch die vollkommene Finsternis. Diesmal hatten wir darauf verzichtet, den point of no return zu bestimmen. Wir hatten diese Schwelle im Gefühl. Aber als am Ende des zweiten Tages die letzte Möglichkeit zur Umkehr herankam, ließen wir den Termin verstreichen, ohne die Debatten wiederaufzunehmen. Unsere Geschwindigkeit war nicht festzustellen. Dass wir uns überhaupt bewegten, war nur an den Anzeigen der Generatoren abzulesen, auf deren Angaben wir uns verlassen mussten. Millionen Lichtjahre weite Finsternis glitt unbemerkt an uns vorüber. Das Große Manifest war nur noch eine schwach glimmende Erinnerung. Wir nannten den neuen Korridor, dessen Erstreckung uns einschüchterte, die Große Depression.
    Irgendwann nötigte ich Jennifer die beiden letzten, zu Dörrobst gewordenen Feigen auf – an den Sonnenplaneten dachte ich nur noch wie an einen tröstenden und traurig stimmenden Traum – und warf mir selbst die letzte Handvoll Granulat in den Mund. Das war es. Dann saßen wir nur noch da und starrten in das gähnende Nichts. Ab und zu zogen in großer Entfernung, die eine Kurskorrektur nicht lohnte, Quasare und Singularitäten vorbei. Keine Objekte, die ein Andocken ratsam hätten erscheinen lassen. In riesigen Abständen taumelten Weiße Zwerge und Neutronensterne durch diese Einöde. Die hochionisierten, ausgebrannten Fäden von Supernovae, die sich vor Milliarden Jahren ereignet hatten. Jennifer hatte es mir längst auszureden versucht, aber dennoch wurde ich einen Verdacht nicht los. Wie wäre es, wenn wir gar nicht im Raum reisten, sondern in der Zeit? Die Krümmungsenergie des Warpreaktors brachte gar keine Bewegung mit sich, zumindest nicht ausschließlich, sondern sie faltete die Zeit, sie schoss uns immer tiefer in eine unumkehrbare Zukunft hinein. Das Große Manifest fiel gar nicht hinter uns zurück, es löste sich um uns auf. Die Galaxien verschwanden nicht am Horizont, sie starben. Und wir durchquerten nicht das Universum, wir erlebten in einem furchtbaren Zeitraffer seine weitere Expansion mit, seine Aufblähung, die zu seiner völligen Entleerung führte. Der Raum dehnte sich immer weiter, und die Materie wurde zu einem immer rareren Gut darin, am Ende würde es keine festen Massen mehr geben, sondern sie würden zu Strahlung zerfallen. Der Kosmos würde nur noch von Wellen und Feldern erfüllt sein, nicht mehr von Körpern.
    Obwohl Jennifer mir diese Phantastereien auszutreiben bestrebt war, konnte sie nicht leugnen, dass die Tatsachen meinen Argwohn bekräftigten. Denn nicht nur waren sämtliche Materieansammlungen aus unserem Sichtfeld verschwunden, ohne dass sich abgezeichnet hätte, ob und wo wir wieder auf festes Land stoßen würden, unsere Instrumente registrierten eine Zunahme der kosmischen Strahlung. Tief unterhalb des optischen
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