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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha
Autoren: A Capus
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persönlich jeden Sklaven, der bei mir vorspricht. So habe ich in ganz Massaua und den umliegenden Dörfern sämtliche Sklaven (an die 4000   Personen) befreit, und das ohne einen Aufstand und ohne alles Aufsehen. Dasselbe werde ich auch im Land der Bogos tun.
    Andrerseits will ich nicht bestreiten, daß jedes Jahr an die tausend Sklaven aus dem Landesinnern ans Rote Meer geschleppt werden, wo sie dann in der Nähe von Massaua auf Schiffe verladen und nach Arabien gebracht werden. Aber es sind gewiß nicht meine Leute, die diesen Handel treiben, sondern die des Kaisers Johannes, von dessen Onkel ich im übrigen schon Drohbriefe erhalten habe, weil ich einen seiner Sklaventransporte abfing und die Unglücklichen befreite.
    Im übrigen ist es kein leichtes, mit meinen bescheidenen Kräften eine Grenze von dreihundert Meilen zu kontrollieren. Und wenn ich nur hin |189| und wieder eine Sklavenkarawane aufhalte, so schade ich damit am allermeisten den Sklaven selbst; denn dann werden die Treiber sie auf weiten Umwegen um Massaua herum durch die Wüste ans Rote Meer hetzen.
    Um den Sklavenhandel wirksam zu unterbinden, müßte man das Übel an der Wurzel packen, und selbiges heißt Johannes. Aber das würde eine gewissenhafte Vorbereitung und beträchtliche Ausgaben bedingen. Des weiteren genügt es auch nicht, die Sklaven einzig freizulassen; sie müssen ernährt, bekleidet und unterrichtet werden, damit die Befreiung eine echte Wohltat werde. Bisher vermochten wir aus Geldmangel nichts anderes zu tun, als die befreiten Sklaven als Hausdiener bei Eingeborenen unterzubringen. Dort sind sie jedoch schlechter gestellt als die Sklaven. Denn ein Sklave lebt immerhin unter dem Dach und dem Schutz seines Herrn; der freie Hausdiener aber, der ja sein eigener Herr und Meister ist, muß selber schauen, wie er zurechtkommt.
    Es reicht deshalb nicht aus, von Menschlichkeit zu predigen, man muß dafür auch gewisse Opfer bringen. Ich wäre glücklich, mich bei meinem nächsten Besuch in Kairo mit Ihrer Exzellenz über diese Dinge beraten zu können.
    Bitte genehmigen Sie, Exzellenz, die Versicherungen der tiefsten Ehrerbietung Ihres demütigsten und folgsamsten Dieners
    Werner Munzinger
     
    |190| Kairo, 12.   März 1873
    Mein lieber Munzinger Pascha!
    Mit Bedauern habe ich Ihrem Brief entnommen, daß Ihr Territorium so weitläufige Grenzen hat, daß Sie sie nicht zu kontrollieren vermögen. Wenn diese Aufgabe Ihre Kräfte übersteigt, so lassen Sie es mich wissen; es wäre mir eine Freude, einem verdienten Manne wie Ihnen eine ehrenvolle Position am Hof zu verschaffen.
    Was aber Ihre neuen Kreditbegehren für Schulen und Spitäler betrifft, kann ich mich nicht genug wundern. Denn ich muß Ihnen sagen, daß die Gouverneure anderer Territorien schon seit langem kein Geld mehr von Kairo verlangen, sondern im Gegenteil Gold, Elfenbein und Negersoldaten in großen Mengen an unseren Hof schicken. Ich bin überzeugt, daß Sie dank Ihrer Fähigkeiten in Bälde zu einem zumindest ausgeglichenen Budget finden werden. Sollte Ihnen das Amt aber zu schwer werden, so zögern Sie nicht, um Ihre Versetzung nach Kairo nachzusuchen.
    Ich grüße Sie
    Ismail

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    Nach der Sperrstunde lief ich den Uferweg entlang zur alten Brücke. Mein Heimweg führte über diese Brücke, da half alles nichts. Mißtrauisch sah ich zu den tausend Tauben hoch, die wie kleine Geier im Gebälk saßen und schliefen. Um sie nicht zu wecken, setzte ich die Absätze meiner Schuhe so sanft wie möglich auf die Holzbohlen, elfengleich glitt ich dahin, ich schwebte   – doch da schlug eine Taube ihr rot entzündetes Auge auf und breitete ihre Flügel aus, und im nächsten Moment flatterten tausend Tauben auf, segelten herunter von ihren Schlafbalken, hielten in wildem Durcheinander auf mein Gesicht zu, drehten im letzten Moment ab und stachen steil nach oben, nur um gleich wieder in chaotischer Staffel auf mich niederzustürzen. Ich hielt mir den Stapel Munzinger-Briefe schützend vors Gesicht und schrie wie am Spieß.
    Der Spuk endete, wie er begonnen hatte. Wie auf Kommando segelten die Tauben zurück ins Gebälk, setzten sich hin, zogen die Flügel ein, klappten ihre blauen Lider über die Pupillen und schliefen weiter.
    Ich rappelte mich auf und pflückte Taubenfedern und Exkremente aus den Haaren und von meiner Lederjacke. Der Schaden hielt sich in Grenzen. Aber die Munzinger-Briefe! Verschliert und verkotet hingen sie |192| an meiner Hand, der Kohlestaub der
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