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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
Autoren: Uwe Hinrichs
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(Interferenzen), aus den kognitiven und neurologischen Bedingungen der Zweisprachigkeit, aus der Mündlichkeit, aus den Dialekten oder aus dem Standard-Deutschen selbst. DieEinflüsse kommen von allen Seiten, aber der Fokus bleibt derselbe.
    Sobald neue Formen einmal eine bestimmte Hemmschwelle überschritten haben, werden sie von autochthonen Sprechern mehr und mehr nachgeahmt und übernommen, ob diese selbst oder die Linguistik das nun wahrhaben wollen oder nicht. Wir wollen dies vorsichtig ein subtiles entwickeltes foreigner talk nennen, das nicht mehr ein altes Gastarbeiterdeutsch nachahmen oder verballhornisieren will, sondern im multikulturellen Milieu offener gegenüber neuen Sprechweisen wird, die vielleicht den grundständigen, langsamen, jahrhundertealten Sprachwandel des Deutschen – der ja nicht einfach ausgesetzt ist – passenderweise sogar bedienen können. Es kann kein Zufall sein, dass führende Vertreter der alternativen oder Grünen Szene, die sich ja Migration und Integration auf die Fahnen geschrieben haben und den Kontakt mit Migranten ausdrücklich suchen und pflegen, wesentlich mehr neue Formen gebrauchen als das politische Establishment (auch wenn sie dies sicher abstreiten würden). Eine subtile Correctness der sprachlichen Noncorrectness hat sich hier in Jahrzehnten aufgebaut und dient im politischen Milieu auch einer deutlichen Identifizierung (… qui mal y pense ). Paradox genug, dass hochgebildete und etablierte neue PolitikerInnen mit Migrationshintergrund dann oft ein ‹besseres› Deutsch sprechen als ihre deutschen Kollegen.
    Wir halten zum Schluss fest:
    Die neuen großen, systematischen Veränderungen der deutschen gesprochenen Sprache sind zu einem großen Teil der neuen Sprachsituation geschuldet: dem Sprachkontakt mit vielen Migrantensprachen, neuen Mehrsprachigkeiten, dem Migrantendeutsch und den vielen neuen Ethnolekten. Das Deutsche wird offener, flexibler, einfacher und kompatibler. Der Preis dafür ist der Umbau von grammatischer und lexikalischer Substanz. Das gesprochene Deutsch der Zukunft wird zu einem guten Teil ein Produkt seiner gegenwärtigen Sprachkontakte sein.

 
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LITERATURVERZEICHNIS
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    Aksoy, Nuran (2005), Türkendeutsch. Ein Ethnolekt des Deutschen? München.
    Al-Khalili, Jim (2010), Im Haus der Weisheit. Frankfurt/M.
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    Aytemiz, Aydın (1990), Zur Sprachkompetenz türkischer Schüler in Türkisch und Deutsch: sprachliche Abweichungen und soziale Einflussgrößen. Frankfurt am Main usw. (= Europäische Hochschulschriften 21).
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