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MUH!

MUH!

Titel: MUH!
Autoren: David Safier
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gleich eingeschnappt! Immerhin habe ich nicht das gesagt, was ich wirklich gedacht habe.»
    «Was war das denn?»
    «Bepinkelter Kadaver!»
    «Du bist fieser als fies!», motzte Radieschen und ging aus dem Stall, gefolgt von der lachenden Hilde. Als Letztes trabte Susi an mir vorbei und grinste mich dabei triumphierend an: «Ach übrigens, ich bin gleich nach dem Melken mit Champion verabredet!»
    Ja, wenn jemand in einer offenen Wunde bohren konnte, dann war es Susi.
    «Die Kuh iste eine Slampe, ja?», fragte Giacomo, als sie den Stall verlassen hatte.
    «Iste eine sehr große Slampe», nickte ich.
    «Slampen seien eine blöde Erfindung.»
    Dem konnte man nur zustimmen.
    «Italia», beantwortete Giacomo nun meine Frage, «iste die schönste Ort von die Welt. Wir habe da Sonne, Amore und Canzone …»
    «Canzone?»
    «Gesange», übersetzte Giacomo, und sehr zu meinem Leidwesen tat er dies auch gleich, und zwar sehr schräg: «Azzurro, il pomeriggio è troppo azzurro e lungo per me …»
    Bei dem Katzengejaule wurde die Milch in meinem Euter fast zu Käse.
    Hastig unterbrach ich ihn: «Ist es denn da für Kühe auch schön?»
    Vielleicht, so hoffte ich, konnte es ein Ort sein, an dem ich glücklich werden konnte. Dafür sprach schon mal, dass es dort keinen Champion und vor allem keine Susi gab.
    «Italia iste für alle Wese schön …», strahlte der Kater.
    Meine Augen leuchteten auf.
    «… nur nicht für die Kühe.»
    «Warum das denn nicht?»
    «Die werden da zu die Bolognese.»
    «Zu was?»
    «Hackefleische.»
    «Was ist Hackefleische?», wollte ich wissen.
    «Etwas, wozu die Mensche euch Kühe mache.»
    «Ich versteh kein Wort.»
    Giacomo sah mich völlig erstaunt an, dann schluckte er: «Meine Güte, du habe wirklich keine Ahnung.»
    «Keine Ahnung wovon?» Sein Verhalten irritierte mich nicht nur, es beunruhigte mich.
    «Iste besser, wenn du habe keine Ahnung, wovon du habe keine Ahnung», antwortete der Kater und schlug etwas überdreht vor: «Lasse uns die Thema wechsele. Solle ich noch mal mache Gesange?»
    «Nein, sollst du nicht!»
    «Ich aber kenne gute Stimmungslieder!», erwiderte er und begann sofort zu singen: «Hier fliege gleich die Löcher aus die Käse …!»
    «Giacomo!», unterbrach ich ihn.
    «Ich kenne noch eine andere Stimmungsliede: Alles hat eine Ende, nur die Wurste hat zwei …»
    Diesmal unterbrach er sich selbst und sagte: «Oh, das iste wohl nicht so eine passende Liede …»
    «Sag es mir endlich!», drängelte ich und stupste ihn dabei sogar leicht fordernd mit meiner Schnauze an.
    Der Kater schwieg jetzt, überlegte, ob er es mir wirklich sagen sollte, was immer «es» auch sein mochte. Aber ich spürte genau: Hier ging es um etwas Wichtiges. Etwas, das mein Leben betraf und von dem ich einfach erfahren musste. Daher drohte ich: «Sag es, oder ich mache einen Fladen auf deinen Kopf!»
    «Das du nicht würdest tun!», schrak er auf.
    «Die Frage ist doch», bluffte ich, «würdest du es darauf ankommen lassen?»
    Giacomo wog ab, schließlich sagte er: «Du haste es so gewollte. Also, wovon du keine Ahnung habe, iste die Tatsache … die Mensche esse die Kühe.»
    «Die Menschen tun was?», fragte ich völlig fassungslos.
    «Sie esse die Kühe.»
    «Die Menschen tun was???»
    «Sie esse die Kühe.»
    «DIE MENSCHEN TUN WAAS???»
    «Ich habe das Gefühle, unsere Gespräch iste ein bisschen redundante …»
    Mir wurde schwindelig, meine Beine sackten fast weg. Ich wollte Giacomo das einfach nicht glauben, es war viel zu ungeheuerlich. Doch mit einem Mal ergab alles auf eine perverse Art und Weise Sinn: warum so wenig alte Kühe auf dem Hof lebten, und auch, warum ich noch nie in meinem ganzen Leben einen toten Kuhkörper gesehen hatte. Oh nein, wir waren genauso naiv wie die Hühner, denen man die Eier wegnahm!
    Ich reagierte auf diese Erkenntnis, wie wohl jede normale Kuh reagiert hätte:
    «Oh no!», rief Giacomo entsetzt. «Du auf mich kotze!»
    Er schaffte es gerade noch, zur Seite zu springen.
    Als ich mit Spucken fertig war, war ich eine andere Kuh: Eben noch hatte ich von einem Fleckchen Erde geträumt, an dem ich glücklich leben konnte, weit weg von Champion und Susi. Jetzt wusste ich, dass ich auf unserem Bauernhof an einem Ort lebte, an dem mein Liebeskummer, so schlimm er mir auch schien, nicht das Fürchterlichste war. Ich konnte hier getötet und anschließend von den schrecklichen Menschen aufgefuttert werden. Ich musste also hier weg. Das war mir sofort klar. Doch
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