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MUH!

MUH!

Titel: MUH!
Autoren: David Safier
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erwischt.
    Der Schäferhund starrte mich unendlich lange Sekunden an, mein Herz raste, aber fliehen konnte ich nicht mehr, meine Beine schlotterten viel zu sehr. Jetzt würde mein Leben zu Ende gehen, ohne dass ich mein Glück gefunden hatte. Konnte man etwa noch trauriger sterben?
    Doch mit einem Male erklärte Old Dog: «Ihr seid es nicht wert, dass ich meinem alten Bauern drei Kühe reiße.»
    Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte, traute mich gar nicht zu atmen.
    Der Hund blickte mich mit seinem roten Auge durchdringend an und zischte leise: «Heute ist dein Glückstag, Mädchen …»
    Wenn das mein Glückstag war, wollte ich meinen Pechtag nicht erleben.
    «… aber wenn wir uns das nächste Mal begegnen, wirst du sterben. Langsam. Sehr, sehr langsam. Und sehr, sehr qualvoll.»
    Er drehte sich um, sprang wieder mit einem Riesensatz über den Bach und lief unnatürlich schnell von dannen. Weder ich noch mein Instinkt besaßen den leisesten Zweifel daran, dass er seine Drohung wahr machen würde. Und bei diesem Gedanken pinkelte nun auch ich gegen mein Hinterbein.

Kapitel 5
    Wir Kühe starrten wie gelähmt in die Richtung, in die Old Dog am Horizont verschwunden war. Eine Weile lang hörte man nur, wie unsere schlotternden Beine gegeneinanderstießen. Radieschen fand als Erste von uns die Sprache wieder und stellte fest: «Jetzt müffeln meine Beine.»
    Ich fragte mich gerade, wie lange wohl so eine blöde Todesangst braucht, bis sie wieder verschwindet, da hörten wir hinter uns: «Mamma mia, es iste so dunkel!»
    Der Kater lag immer noch mit dem Gesicht im Schlamm.
    «Iste das die ewige Dunkelheit?», jammerte er.
    «Nein, nur die falsche Blickrichtung», antwortete ich, ging zu ihm und stupste ihn mit der Schnauze so an, dass er sich umdrehte. Der Arme sah nicht gut aus, und das lag nicht nur daran, dass sein Gesicht voll Schlamm war. Ich berührte mit meiner Schnauze vorsichtig seine Stirn und stellte fest, dass sie stärker glühte als ein Vogel, der sich im Elektrozaun verheddert hatte.
    «Nun iste es heller», rief er. «Ich schon sehe die Licht! Arrivederci, Francesca!»
    «Wird wohl sein Weib sein», mutmaßte Hilde.
    «Arrivederci, Alessandra!»
    «Noch ein Weib», stellte ich fest und musste unwillkürlich an Champion denken, was in mir einen Schmerz auslöste, als würde jemand etwas Heißes und Spitzes durch mein Herz bohren. Immerhin hatte ich durch die Begegnung mit Old Dog für ein paar Augenblicke nicht an Champion und Susi gedacht.
    «Arrivederci, Karla … Véronique … Kathy … Gruscha …», setzte der Kater sein Wimmern fort.
    «Umtriebig gewesen, der Herr», stellte Hilde fest.
    «… Luigi …»
    «Und vielseitig.»
    «Wir sollten nicht rumstehen», fand ich, «sondern ihm helfen.»
    «Und wie? Hast du vielleicht eine Idee?», fragte Hilde.
    «Ähem … nicht wirklich …», antwortete ich, hatte ich doch keine Ahnung, wie man ein so schwer verwundetes Wesen heilen oder auch nur dessen Schmerz lindern konnte.
    «Aber ich hab eine Idee!», meinte Radieschen.
    «DU?», fragten Hilde und ich im Chor.
    «Warum denkt alle Welt immer, ich hätte keine guten Ideen?», fragte Radieschen beleidigt.
    Hilde hob zu einer Antwort an, doch bevor sie «Weil du eben nun mal du bist, Süße» antworten konnte, jammerte der Kater weiter: «Arrivederci, Bello, du schöne Dackel …»
    «Er ist noch vielseitiger als gedacht», staunte Hilde.
    «Und dem Tode nahe! Wir müssen was tun», insistierte ich. «Also, was ist deine Idee, Radieschen?»
    «Wisst ihr, was meine Oma Hamm-Hamm immer gesagt hat?», fragte Radieschen. Oma Hamm-Hamm war der Spitzname ihrer leicht schrulligen Großmutter, bei der Radieschen aufgewachsen war, da sich ihre eigene Mutter nicht sonderlich für sie interessiert hatte.
    «Nein, wissen wir nicht. Was hat Oma Hamm-Hamm gesagt?», fragte ich.
    «Bei einer offenen Wunde ist es gut, wenn man draufpinkelt.»
    Da riss der Kater entsetzt seine Augen wieder auf und rief: «Das iste nicht deine Ernst!»
    Was Radieschen da vorschlug, klang wirklich etwas verrückt, doch es war zumindest eine Idee. Und eine Idee war besser, als den Kater einfach im Schlamm verenden zu lassen. Daher fragte ich ihn: «Hast du denn eine Alternative? Ich meine: außer zu sterben?»
    Der Kater erkannte, dass er keine andere Wahl hatte, und murmelte: «Manchemal iste das Lebe nicht nur beschissene, sondern auch bepinkelte.»
    Radieschen verrichtete ihr Werk, während der Kater fremdartig vor sich hin fluchte:
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