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MUH!

MUH!

Titel: MUH!
Autoren: David Safier
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gefunden hatte. Andere vermuteten, dass das Reich der Toten niemanden haben mochte, der sich selbst das Leben nimmt, und er daher nun unsterblich war. Wie dem auch sei, eines besonders schrecklichen Tages tötete Old Dog bestialisch eine Sau. Nicht, um sie zu fressen oder weil die Sau ihn beleidigt hatte. Als das verwitwete Schwein den Schäferhund mit tränenerstickter Stimme fragte: «Warum hast du mein Weib getötet?», antwortete der nur kalt: «Weil sie glücklich war.»
    Doch als der Bauer den grausig zugerichteten Tierkörper sah, schlug er dem Schäferhund mit einer Schaufel ein Auge aus und vertrieb Old Dog vom Hof. Seitdem wurde er nie mehr gesehen … bis jetzt.
    «Du …», stammelte Radieschen, «du bist wirklich Old Dog?»
    «In Fleisch und Blut», grinste er von seiner Seite des Baches zu uns herüber, und sein blutrotes Auge funkelte unnatürlich dabei.
    «Jetzt hab ich mir auch noch gegen das andere Bein gepinkelt», flüsterte Radieschen.
    «Meine Blase», stimmte Hilde zu, «lässt auch gerade etwas zu wünschen übrig.»
    «Euch Kühen wird nichts passieren, wenn ihr mir den Kater überlasst», erklärte Old Dog kalt lächelnd.
    Mein Instinkt fand: Das klingt doch außerordentlich gut.
    Ich sah zu dem blutenden, ohnmächtigen Kater. Ich konnte so ein armes hilfloses Wesen nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Daher wies ich meinen Instinkt in die Schranken und sagte zu Old Dog, so tapfer wie möglich: «Das kommt nicht in Frage.»
    Hilde fragte geschockt Radieschen: «Was hat sie da gesagt?»
    «Ich glaub, sie hat gesagt: Kommt nicht in Frage», antwortete die nicht minder geschockte Radieschen.
    «Au Mann, ich hätte mich so gerne verhört», seufzte Hilde.
    Old Dog grinste mich an: «Was haben wir denn da? Eine mutige Kuh! Weißt du, was aus mutigen Kühen wird?»
    So, wie er die Frage stellte, war es gewiss nichts Gutes.
    «Kadaver. Blutige, zerrissene Kadaver», beantwortete er und lachte laut schallend auf.
    «Also», hörte ich Radieschen flüstern, «sein Humor trifft nicht ganz den meinen.»
    Und mein Instinkt fragte: Könnten wir vielleicht noch mal darauf zurückkommen, was ich eben über das Abhauen gesagt habe?
    Ich wollte auch gerne darauf zurückkommen. So, so gerne! Aber wie könnte ich damit leben, ein wehrloses Lebewesen wie den Kater einfach dem Tod zu überlassen? Würde ich so etwas tun, wäre doch mein Gewissen für immer so beschwert, dass ich nie mehr glücklich werden könnte.
    «Wenn du den Kater willst», erklärte ich daher tapfer, «musst du es mit uns dreien aufnehmen.»
    Hilde schluckte: «Jetzt hätte ich mich schon wieder gerne verhört.»
    «Und ich wäre jetzt gerne ein Vogel», begann Radieschen verängstigt zu plappern, «oder ein Maulwurf oder ein Regenwurm, am besten ein unsichtbarer, auch wenn es so etwas wie unsichtbare Regenwürmer gar nicht gibt, oder vielleicht gibt es die ja doch, und wir können sie nur nicht sehen, weil sie ja unsichtbar sind …»
    Doch egal, wie viel Angst die beiden auch hatten, sie liefen nicht weg und blieben an meiner Seite. Weil sie meine Freundinnen waren. Oder weil ihre Beine vor Angst gelähmt waren. Höchstwahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem.
    Old Dog musste noch mehr lachen: «Du hast wirklich Mut, Mädchen!»
    Während er so eisig lachte, dass ich vor Kälte zu zittern begann, meldete sich mein Instinkt wieder zu Wort: Also, wenn ich die Wahl habe zwischen dem Leben eines Katers und meinem Leben, habe ich da doch eine ganz eindeutige Vorliebe …
    Doch ich ignorierte meinen blöden Instinkt tapfer weiter und blieb stehen. Und die anderen beiden mit mir.
    Plötzlich hörte Old Dog auf zu lachen und sprang mit einem Satz über den breiten Bach auf unsere Seite, so mühelos, wie kein junger Hund es hätte schaffen können.
    Radieschen flüsterte uns zu: «Es war schön, euch zu kennen.»
    Hilde antwortete: «Euch auch, was ich vom Rest der Welt allerdings nicht gerade behaupten kann.»
    Mein Instinkt jaulte in mir auf: Ich bin ja nur ungern ein Klugscheißer, aber wer hat es gleich gesagt?
    Old Dog baute sich vor mir auf. Er war zwar kleiner als ich, wirkte aber gewaltig. Sein Fell roch nach Verwesung, sein Atem nach Tod. Gleich würde er zuschnappen, keine Frage. Und ich würde von ihm dahingerafft. Wie sollte ich mich gegen so ein Ungetüm wehren? Ich war doch nur eine Kuh und hatte noch nie mit einem Lebewesen gekämpft, außer mit meinem Schwanz gegen die Fliegen, und selbst die hatte ich nie richtig
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