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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe
Autoren: Gaby Gschwend
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nicht glauben. Dennoch besteht eine tiefe Kluft zwischen dem verklärten Bild der Mutter und der gesellschaftlichen Realität. Wenn es also wirklich um das Kindswohl gehen soll, ist es erforderlich, bislang durch den Muttermythos ausgeklammerte und verleugntete Themen realistisch und vollständig wahrzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen, anstatt weiter soziale Un- und Halbwahrheiten im Zusammenhang mit Familie, Mutterschaft und Mutter-Kind-Beziehungen zu pflegen. Wir werden zunächst auf die problematischen Auswirkungen des Muttermythos zurückkommen und uns dann den Folgen zuwenden, die ein Verzicht auf den Muttermythos mit sich bringen würde.
    6.1  Negative Auswirkungen des Muttermythos
    Die Idealisierung der Mutter-Kind-Beziehung, die Verklärung der Mutterschaft und eine Ausgrenzung der damit verbundenen Aggression, Ablehnung und Destruktivität haben Folgen, die alles andere als harmlos und deshalb nicht zu unterschätzen sind:
    •  Eine große Mehrheit der Mütter scheitert täglich an einem unrealistischen Ideal der «guten Mutter» und wird von (unnötigen, unrealistischen) Gefühlen des Ungenügendseins und Versagens geplagt, die sich belastend auswirken, auch auf die liebevolle Beziehung zum Kind. Die Mütter wollen perfekte, ihre Kinder stets mit Liebe überschüttende Mütter sein und werden doch immer wieder mit ungeliebten und verachteten Schattenanteilen konfrontiert, die sie, aufgrund des Muttermythos’ als «nicht normal» wahrnehmen und darum auch verleugnen müssen. Das Kind aber wird unbewusst damit belastet.
    •  Im Hinblick auf überwiegend problematische oder destruktive Mutter-Kind-Beziehungen besteht eine psychologische und gesellschaftliche Wahrnehmungsblockade. Man fühlt sich nicht zuständig, man schließt die Augen, man thematisiert und man handelt nicht, solange das Machtmonopol der Mutter psychologisch und auf der Ebene der gesellschaft lichen Realität unantastbar bleibt. Den betroffenen Kindern wird nicht geholfen, ihr Leid bleibt unerkannt oder unbeachtet.
    •  Die historisch gewachsene und durch den Muttermythos untermauerte Alleinzuständigkeit der Mutter für die Kinder und die Ausgrenzung des Vaters aus der Familie hat Konsequenzen, die ebenfalls nicht im Interesse einer liebevollen Beziehung zwischen Müttern und ihren Kindern liegen.
    6.1.1  Das Leiden am Ideal
    Heutige Mütter stehen unter einem enormen Druck, eine «gute Mutter» sein und als solche ihrem Kind eine ideale Kindheit bieten zu müssen. Das war den Müttern früherer Generationen fremd. Nie zuvor waren Ängste, Gefühle und Überzeugungen von Schuld und Versagen im Zusammenhang mit der Kindererziehung so groß wie heute. Fremd war Müttern früherer Generationen auch die psychologische «Gewissheit», dass jede ihrer Unvollkommenheiten, jeder Fehler, jedes «Versagen» ihrem Kind nachhaltig schade. Jede Frau, die im Geist des Muttermythos sozialisiert ist, hat auch verinnerlicht, dass es die biologische Mutter ist, die das Kind um seines Wohles willen möglichst intensiv und exklusiv betreuen sollte. Im deutschsprachigen Europa, aber nur noch dort, «weiß» man auch, dass es das Beste für das Kind ist, diese Form der Betreuung während seiner ersten fünf Lebensjahre zu erfahren.
    Wenn sie ehrlich sind, wollen aber die meisten Frauen nicht intensiv und exklusiv 24 Stunden am Tag mit Haushalt und Kindererbetreuung verbringen. Andrerseits aber möchten sie sich auch als gute Mütter fühlen und eine gute Mutter, so haben sie verinnerlicht, erkennt man daran, dass sie den gängigen Erwartungen freudig entspricht. Nur: Ist der Verhaltensstandard der «guten Mutter» wirklich wünschenswert? Führt er wirklich zu zufriedeneren, glücklicheren, lebenstüchtigeren Kindern? Im internationalen Vergleich deutet nichts darauf hin. Lässt uns der Muttermythos die Bedeutung einer biologischen Mutter für das Kind überschätzen? Ist nicht zu bedenken, dass dem Kind nichts anderes übrig bleibt, als eine (über-) große Abhängigkeit zu entwickeln, wenn es hinsichtlich seiner Versorgung und Betreuung auf nur eine Person angewiesen ist? Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich meint dazu: «Eigentlich ist es unverständlich, dass diese Art der (fürsorgenden) Liebe gegenüber dem Kleinkind fast nur den Frauen überlassen wird. Das ist, wie man aus der Psychologie weiß, auch sehr schädlich: Die übermäßige Abhängigkeit von einem einzigen Wesen, der Mutter, schafft Unfreiheit, schafft Angst vor
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