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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe
Autoren: Gaby Gschwend
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dass viele Kinder in unserer Gesellschaft aufgrund der zugeschriebenen Alleinverantwortung der Mutter entweder «überbemuttert» sind oder «unterbemuttert», entweder überbehütet oder vernachlässigt werden. Eine Lehrerin beobachtet in ihrem Berufsalltag: «Die Mütter erlebe ich heute als extrem gleichgültig oder extrem einmischend.» Kinder von Müttern, für die das Kind identitätsstift endes Selbstverwirklichungsprojekt und zentraler «Leistungsnachweis» im Leben ist, werden von diesen erbarmungslos unterhalten, bespielt, gefördert und behütet, bis sie zu gleichermaßen verwöhnten wie unterforderten Geschöpfen werden, denen unter Umständen später der raue Wind des Lebens recht kalt um die Ohren pfeift. Oder es entsteht das totale mütterliche Vakuum, wenn die Mutter abwesend, gleichgültig oder destruktiv ist und niemand sonst sich auch nur ansatzweise für das Kind verantwortlich fühlt. Wir haben es auch bereits gesehen: Die Zahl der vernachlässigten, sich selbst überlassenen Kinder ist groß und sie ist deutlich im Steigen begriffen.
    6.1.4  Die Väter im Abseits
    Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der die Frauen, Mutter und Großmutter, wenig Talent zur Mütterlichkeit an den Tag legten. Sie lasen lieber. Oder diskutierten über Politik. Oder gingen ins Kino. Die Hausarbeit war auch nicht gerade ihre Stärke. Doch ich hatte Glück. Der Mann in meiner Familie, mein damals noch recht junger Großvater, interessierte sich leidenschaftlich fürs Füttern, Wickeln, Aufziehen dieses kleinen Mädchens, das ihm da ins Haus gepurzelt war. (Schwarzer 2007, S. 81)
    Die historische und psychologische «Abschaffung», die Vernachlässigung bzw. Ausgrenzung des Vaters hat in eine Sackgasse geführt. Wie im historischen Abriss der Mutterliebe geschildert wurde, ging es dabei zunächst dem übermächtigen Patriarchen an den Kragen, der über alles und jeden im Haus herrschte. Allmählich trat der Vater das Exil in die Berufswelt an und wurde in der Familie eine Randfigur. Die Privatsphäre überließ er der Mutter und im Folgenden beschränkte sich sein Einfluss darauf, dass er die ökonomische Macht und die Autorität als «Ernährer» innehatte, gelegentlich ein pädagogisches Machtwort sprach, die strafende Instanz darstellte und vielleicht den Kindern abends übers Haar streichelte, wenn er sie denn gelegentlich sah. Offenbar eine für alle Beteiligten letztlich unbefriedigende Rolle, denn in den letzten Jahrzehnten und ganz sicher auch unter dem Druck der psychologisch und ökonomisch erstarkenden Frauen entwickelten sich die Vorstellungen von einem «guten Vater» weiter.
    Neuere Untersuchungen stellen bei jungen Vätern veränderte Einstellungen und Gefühle fest und zwar solche, die traditionell als mütterlich bezeichnet werden, denn es geht ihnen um Fürsorge und um Zärtlichkeit. Väter zeigen ein Bedürfnis, sich auch um kleine Kinder zu kümmern, an ihrer Entwicklung teilzuhaben und sind an emotionaler Nähe zu ihren Kindern interessiert. Es sieht so aus, als trete die väterliche Liebe nun deutlich in die Geschichte der Gefühle ein und würde damit eine historisch neue Facette des Mannseins offenbaren. Zum Teil werden neue Identifikationen erkennbar und junge Männer erklären auch öffentlich, dass sie eigentlich nicht daran interessiert sind, die Alleinverantwortung des Ernährers der Familie zu tragen und die Betreuung und Erziehung der gemeinsam gewünschten Kinder auch als gemeinsamen Job ansehen. Seit der Einführung des Elterngeldes in Deutschland (2007) stieg die Nachfrage der Väter nach Elternurlaub innert eines Jahres um 12,1 % an. Väter verbringen zehn mal mehr Zeit mit ihren Kindern als vor 15 Jahren.
    Andererseits und im Kontrast dazu weisen zahlreiche Untersuchungen darauf hin, dass sich an der grundsätzlichen Arbeitsteilung zwischen Vätern und Müttern kaum etwas verändert hat. Obwohl die Väter vermehrt an familiären Aufgaben teilhaben, sind immer noch grundsätzlich die Mütter für die Kinderbetreuung und Erziehung zuständig. Nach wie vor verbringen Mütter, auch wenn sie erwerbstätig sind, dreimal so viel Zeit mit ihren Kindern wie die Väter. Für die Kinder ist das bedauerlich, denn sie vermissen ihre abwesenden Väter im Alltag und haben eine große «Vatersehnsucht». Eine väterliche Lücke, die nicht gefüllt wird, ein abwesender, schwacher oder nicht integrierter Vater wirkt sich auf die Kinder und auch auf die Mutter-Kind-Beziehung nachteilig aus. Ein
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