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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe
Autoren: Gaby Gschwend
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Ausbau von gemeinschaftlichen Betreuungs- und Erziehungseinrichtungen sinnvoll. Dementsprechend äußert sich in einem Interview der Schweizer
Sonntags-Zeitung
vom 23.11.08 auch Bernhard Bueb, der bekannte Pädagoge und Autor («Lob der Disziplin»), der weltanschaulich als eher konservativ bezeichnet werden darf und gewiss keiner subversiven Geisteshaltung zu verdächtigen ist. Auch er spricht sich dafür aus, Mütter in der Betreuung und Erziehung der Kinder auf staatlicher Ebene schon früh und weitgehend zu unterstützen. Er verweist ebenfalls auf die Tatsache, dass für 80 % der westlichen Demokratien Ganztagesschulen mit einer Schulpflicht ab vier Jahren und bereits vorher verschiedene Formen einer frühkindlichen Betreuung zwischen sechs Monaten und drei Jahren selbstverständlich sind. Dieses Modell empfiehlt er auch für die restlichen 20 %, weil er aus einer langen pädagogischen Erfahrung heraus der Ansicht ist, dass heutige Mütter/Eltern überfordert seien, die Bedürfnisse der Kinder nach Betreuung, Versorgung, Unterstützung und Förderung quasi im Alleingang abzudecken.
    Kinder profitieren im Allgemeinen von einer weniger mutterzentrierten Erziehung, weniger Abhängigkeit und mehreren konstanten Bezugspersonen. Sie erhalten mehr Geborgenheit, wenn sich mehr als eine Person um sie kümmert und für sie sorgt. Sie haben die Chance, Vertrauen zu verschiedenen Menschen zu entwickeln, bekommen mehr Anregung. Sie sind weniger isoliert und weniger abhängig, haben weniger Verlustängste und würden im Fall unzureichender Bemutterung nicht in ein «Fürsorgevakuum» fallen, in dem sich niemand für sie zuständig fühlt. Sie müssten sich nicht mehr so «schuldig» ihren Müttern gegenüber fühlen, wenn sie nicht «das Ganze» in deren Leben sind. Fast poetisch formuliert Simone de Beauvoir: «Die Frau mit dem reichsten Eigenleben wird dem Kind am meisten geben und am wenigsten von ihm verlangen.» (Beauvoir 2000, S. 650) Allerdings: Veränderung fängt im Kopf an und damit sind wir schon bei den Widerständen und Hindernissen angelangt, die einem realistischen Mutterbild und einer erweiterten Zuständigkeit für das Wohl des Kindes entgegenstehen.
    6.2.4  Voraussetzungen, Widerstände, Hindernisse
    Es gibt psychologische und mentale Voraussetzungen und Widerstände auf dem Weg zum Verzicht auf den Muttermythos, und es gibt sie auf der Ebene der faktischen gesellschaftlichen Realität. Im Allgemeinen führen Veränderungen im Kopf zu anderen Wahrnehmungen, neuen Einstellungen und zu veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Verschiedene mentale Hindernisse jedoch versperren den Weg zu einer Wahrnehmung, in der eine Frau für die Gesellschaft genauso verantwortlich ist wie für die Familie, und die Verantwortung eines Mannes genauso in der Familie liegt wie in der Gesellschaft. Frauen werden nach wie vor dazu erzogen, in der Familie die Erfüllung ihres Schicksals zu sehen, auch wenn sich die Lebens- und Berufswelten von Frauen und Männern – eben bis sie Kinder haben – weitgehend einander angeglichen haben. Männer werden nach wie vor dahingehend erzogen, sich mit Leistung und beruflichem Erfolg zu identifizieren. Ihre fürsorglichen Anlagen und Fähigkeiten werden nicht gefördert und unterstützt, weil die vorherrschende Mutterideologie den Blick darauf verstellt. Das ist bedauerlich, nicht nur für die Kinder, sondern auch für das Gesamt der Gesellschaft.
    Väter also müssten die Bereitschaft haben, einerseits wirklich Verantwortung in der Familie zu übernehmen und andererseits an Verantwortung für die öffentliche Welt abzugeben – und das tun sie im Allgemeinen (noch) nicht gerne. Frauen dagegen müssten bereit sein, ihre Überidentifikation mit den Kindern und ihre «geschützte Position auf dem Sockel», wie Schützenhöfer sie nennt, aufzugeben und «Einmischungen» anderer in die Kindererziehung ertragen – und das tun sie häufig (noch) nicht gerne. Denn viele Frauen sind diesbezüglich ambivalent. Die meisten wollen erwerbstätig sein, eigenen Interessen nachgehen, eine eigene Person bleiben und nicht 24 Stunden täglich um ihre Kinder herum sein, sie wollen Verantwortung abgeben. Gleichzeitig aber wollen sie ihren angestammten Machtbereich nicht teilen, denn wer Verantwortung abgibt, gibt natürlich auch Macht ab. Sie wollen an der Exklusivität der Mutter-Kind-Beziehung und an ihrer unangefochtenen Position festhalten und möchten nicht auf das Gefühl der Unersetzlichkeit und
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