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Mürrische Monster

Mürrische Monster

Titel: Mürrische Monster
Autoren: Royce Buckingham
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sein Alter doch prima Arbeit, fand er.
    Richie sah sich im Schuppen um und fand eine ausziehbare Leiter. Das Haus besaß inklusive Dachboden drei Stockwerke und ragte zwölf Meter in den trüben Himmel von Seattle auf. Nate hatte die Leiter nie erwähnt, deshalb ging Richie davon aus, dass sie kein Dämon war, aber als Lehrling war sein Gespür für Dämonen noch nicht so weit entwickelt, dass er die Wesen immer auf den ersten Blick hätte erkennen können. Die Leiter sah ganz normal aus. Sie bestand aus Aluminium, war ziemlich schwer und hatte drei ausziehbare Teilstücke. Das sollte genügen, dachte Richie.
    Er lehnte sie an die Hauswand. Man zog die einzelnen Teile mit einer Flaschenzugkette auf die volle Länge aus, und nach einigem Gezerre und Gerucke reichte die Leiter tatsächlich bis zum Dach. Richie trat ein letztes Mal prüfend dagegen. Sie fühlte sich standfest an. Genau genommen schien sie fast am Haus zu kleben und wackelte kein bisschen. Er nickte und machte sich an den Aufstieg.
    Oben angekommen, konnte Richie über das Stadtzentrum und die Elliot Bay bis zu den Inseln im Puget-Sund blicken. Vor der Stadtsilhouette erhob sich die Space Needle, der schlanke, weit in den Himmel aufragende Aussichtsturm, der 1962 das Wahrzeichen der Weltausstellung gewesen war. Ganz oben, fast zweihundert Meter über der Erde, gab es ein großes rotierendes Restaurant. Er hatte immer schon einmal dort hinauffahren wollen, aber als Straßenjunge hätte man ihn nie im Leben hineingelassen. Er fragte sich, ob Nate ihn wohl eines Tages dorthin mitnehmen würde.
    In zwölf Metern Höhe fühlte sich Richie erfüllt von Frieden und Stärke, zwei Dinge, die er während seines Lebens auf der Straße, bevor er als Dämonenhüter-Lehrling bei Nate eingezogen war, nie gekannt hatte. Vielleicht isses ja doch nich so schlecht, in einem Haus voller Dämonen zu wohnen , dachte er. Dann wandte er sich zur Seite und begann, den Matsch aus der Regenrinne zu kratzen.
    In den uralten Rinnen, die rings um das Dach verliefen, sammelte sich alles mögliche Zeug, das der Wind heranwehte oder der Himmel fallen ließ. Richie stieß die Handschaufel in eine zähe Mixtur aus Laub, Einwickelpapier, Vogelmist, Moos und anderen halb verfaulten Dingen, die nicht mehr zu erkennen waren. Schließlich entdeckte er sogar eine Frisbeescheibe, die zwischen Hauswand und Rinne klemmte. Er fuhr mit der Schaufel durch die metallische Halbröhre, schippte den Dreck heraus und sah sich vor, ihn nicht zu berühren, denn ihm war klar, dass das Zeug nicht gesund sein konnte. Er schleuderte es über die Schulter, so dass es hinter ihm wie eine Dusche aus feuchtem, fauligem Kompost zwölf Meter in die Tiefe regnete. Einige Stücke fielen dabei in Mr. Neebors benachbarten Garten und brannten zischend braune Löcher in die zarten Blumen.
    Eine Möwe kam herangeschwebt und ließ sich auf der Regenrinne nieder, die Richie gerade sauber machte; vielleicht hoffte der Vogel, einen verborgenen Leckerbissen zu ergattern, den er – Richie – durch seine Arbeit freigelegt hatte. In New York waren Tauben die Ratten des Himmels, hier in Seattle waren Möwen die fliegenden Aasfresser. Richie hatte nichts gegen sie. Sie waren Müllsammler, so wie er selbst einer gewesen war, deshalb wusste er ihren Lebensstil zu würdigen. Als die Möwe sich auf dem Rand der Regenrinne niederließ, rief er ihr eine freundliche Warnung zu.
    »Husch! Weg mit dir!«
    Der Vogel sah ihn unbeeindruckt an und begann, im noch verbliebenen Dreck herumzupicken.
    »Ich mein’s ernst, Kumpel«, sagte Richie. »Flieg weiter.«
    Diesmal starrte die Möwe zu ihm herüber, funkelte ihn an und stieß ein langgezogenes, ärgerliches Kreischen aus, das abrupt endete, als die Regenrinne sich aufbäumte, den unseligen Vogel packte und ihn ins Fallrohr stopfte. Die Öffnung war weit genug aufgerissen, um die Möwe in einem Stück zu verschlingen. Das Ganze ging blitzschnell.
    »Ich hab dich gewarnt«, sagte Richie kopfschüttelnd, als eine einzelne Feder an ihm vorbeischwebte.
    In dem Moment begann sich die Leiter aufzurichten. Richie griff nach der Regenrinne, doch auch sie wich zurück, deshalb zog es ihn vom Haus weg. »Nein, nein, nein ...«, stammelte er. Er verspürte ein Gefühl der Schwerelosigkeit – die Leiter stand aufrecht da, ohne jeden Halt, und schwankte leicht im Wind. Ein Zwölf-Meter-Sturz würde ihn umbringen, befand Richie.
    Dann begann die Leiter herumzuhüpfen. Richie klammerte sich an die
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