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München - 2030

München - 2030

Titel: München - 2030
Autoren: Alexander Golfidis
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und im täglichem Überlebenskampf als lästige Konkurrenten empfunden wurden. Wer wollte schon seinen Job an einen senilen Lohndrücker abtreten, bloß weil dieser nicht hinreichend Sorge für sein späteres Auskommen getragen hatte. In der Folge seien die Alten in den Süden gemobbt worden und die Jungen zogen in den Norden.
                Im letzten Abschnitt des Artikels wies der Wissenschaftler auf die gestiegene Kriminalitätsrate hin. Altenkriminalität sei ein nicht zu unterschätzendes Problem, erklärte er.
    Er beklagte auch die allerorts zahlreichen Landstreicher – durchweg alte Knacker –, die sich zu straff organisierten Bettelbanden zusammengeschlossen hatten, und nun an Straßen und öffentlichen Plätzen die Hand aufhielten. Auch warnte er vor Betrügern, die es mit dem Enkel-Trick auf besonders senile Greise abgesehen hatten, denen sie mit dreisten Behauptungen, sie wären ihre notleidenden Angehörigen, Kinder oder Enkel, das Ersparte abzuschwatzen versuchten. Obwohl in vielen Fällen die Betrüger älter als ihre Opfer waren, gaben sie sich dennoch meist als deren Nachkommen aus.
    Ganz am Schluss des Berichtes prangerte der Forscher den Rollatordiebstahl an und empfahl diese nicht mehr vor öffentlichen Toiletten abzustellen, da ein herrenlos abgestellter Rollator geradezu eine Einladung für Diebe darstelle.
                Victor schob murrend die Zeitung beiseite. Wieder so ein Artikel der vor Rollatordieben warnte. Bald würde er sich eine andere Beschäftigung suchen müssen, wenn das so weiterging.
    Seinen Unterhalt mit Rollatordiebstahl zu verdienen, gehörte nicht gerade zu den ehrbarsten Beschäftigungen, das wusste auch Victor. Aber die Zeiten waren schlecht und er hatte sein eigenes Empfinden was Recht und Unrecht betraf. So erbeutete er zumeist die Rollatoren der Reicheren. Und diese hatten für ihre Rollatoren in der Regel eine Diebstahlversicherung abgeschlossen und bekamen hinterher meist mehr von den Versicherungen zurückerstattet, als die Rollatoren eigentlich wert gewesen wären. Außerdem spendete Victor hin und wieder einen der ergaunerten Rollatoren, nach einer kurzen Generalüberholung, an besonders bedürftige Personen, die sich keinen hätten leisten können. Somit war Victor jemand der den Reichen nahm und den Armen gab – vielleicht kein Wohltäter im eigentlichen Sinn, weil er ja auch für sich selbst sorgte – aber jemand der sich gerne um hilfsbedürftige kümmerte.
    Auf diese Weise hatte er sich auch seinen Beinamen Rolli-Hood eingehandelt. Eines Tages hatte er am Bahnhof einen Rollator entwendet und kurz darauf war er einem Behinderten über den Weg gelaufen, der sich so mühsam fortbewegte, dass sich Victor kurzerhand entschloss ihm den Rollator zu schenken. Ein anderer Rollatordieb hatte ihn dabei beobachtet und es den Kumpanen erzählt, die ihm schon lange seine Hilfsbereitschaft als Schwäche auslegten. Seither nannten sie ihn spottend Rolli-Hood.
    Auch wurde es ihm immer noch warm ums Herz, wenn er sich daran erinnerte, wie er einem alten Mütterchen, erst vor ein paar Wochen, einen Rollator überreicht hatte. Zuvor hatte er monatelang beobachtet wie die Frau, die in seinem Viertel wohnte, immer unsicherer auf den Beinen wurde und sich ständig überall einhalten musste. Eines Tages war ihr so schwindelig zumute, dass sie auf einer Parkbank Platz genommen hatte und sich nicht mehr aufzustehen wagte. Victor hatte sie angesprochen und ihr nach Hause geholfen.
    Am nächsten Tag hatte er ihr einen Rollator gebracht. Die Alte hatte ihn erst mit leuchtenden Augen angesehen, aber dann erklärt, dass sie leider so ein teures Geschenk nicht annehmen konnte. Es bedurfte Victor einiger Überredungskünste – er log, er hätte ihn während der Entrümpelung verstaubt im Keller gefunden und er gehe nur im Weg um. Auch würde niemand von ihnen einen Rollator benötigen. Schließlich konnte er ihr verständlich machen, dass es wirklich in Ordnung sei, wenn sie ihn entgegennahm. Als er ging, hatte sie gewirkt, wie ein Kind dem man an Weihnachten sein Lieblingsspielzeug überreicht hatte. Victor lächelte, als er sich daran erinnerte. Erst gestern hatte er die Alte mit ihrem Rollator wiedergesehen und er nahm sich vor in den nächsten Tagen bei ihr vorbeizukommen, um den Rollator erneut zu prüfen, ob noch alles so funktionierte, wie es sollte.
    Doch nun war es schon spät geworden und er machte sich ans Bettgehen.
     
    Am nächsten Morgen als Victor die
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