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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Autoren: Edward Kelsey Moore
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stützt.«
    Mit mir auf dem Arm begann er, den Hügel hinunterzusteigen. »Nein, nein, du bist so leicht wie eine Feder«, log er und ächzte bei jedem Schritt.
    »Weißt du was, Richmond, ich verstehe, warum dich alle Frauen so lieben. Du redest einen Haufen Mist, aber du lässt es gut klingen.« Ich schlang die Arme um den muskulösen Hals meines Komplizen und genoss den schaukligen Weg.
    Über Richmonds Schulter hinweg lächelte ich meiner Mutter hoch oben im Walnussbaum zu. Sie sah mich an und wirkte genauso freudig überrascht darüber, dass ich diesen Ort lebend verließ, wie ich. Dann sah ich zu dieser aufdringlichen Person von Eleanor Roosevelt hinüber, die mir übers Jahr so viel Sorge und Verdruss beschert hatte. Bevor Richmond mich außer Sichtweite trug, wollte ich sie noch wissen lassen, dass ich mir wegen ihrem Geunke zwar Sorgen gemacht, aber nie Angst gehabt hatte.
    Ich ballte meine Hand zu einer Faust und streckte sie Mrs Roosevelt entgegen. Und bevor mein guter Freund mit mir im hohen Schilfgras von Mamas Garten verschwand, rief ich, so laut es meine heisere Kehle zuließ: »Ich wurde in einem Platanenbaum geboren!«

38
    Drei Wochen nachdem ich nicht unter meinem Baum gestorben war, verbrachte ich meinen ersten Sonntagnachmittag wieder in Earl’s Diner. Das Restaurant war brechend voll. Jeder Stuhl, außer den beiden, die für James und mich bereitstanden, war besetzt. Da selbst der schlanke James Schwierigkeiten hatte, sich zwischen den ganzen Gästen durchzupferchen, vermutete ich, dass Little Earl ein paar Tische mehr in den Speiseraum gestellt hatte, um dem zunehmenden Andrang Herr zu werden.
    Als wir uns den Weg durch die Menge bahnten, wurde ich von den Leuten begrüßt, als sei ich gerade aus dem Krieg zurückgekehrt. Erma Mae kam zu mir geeilt und küsste mich auf die Wangen. Ramsey Abrams umarmte mich ein bisschen zu fest und einen Tick zu lange, wie üblich. Florence Abrams schüttelte meine Hand und verzerrte ihr Gesicht zu der Grimasse, die sie für ein Lächeln hielt. Alle paar Schritte hielt mich jemand an, um mir zu sagen, wie froh er sei, dass es mir wieder besser gehe. Als ich morgens in der Kirche erschienen war, war es das Gleiche gewesen, und ich musste zugeben, dass ich mich von all der Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlte.
    Als wir schließlich zu unserem Tisch am Fenster gelangten, nahm ich zwischen Clarice und Barbara Jean Platz. James setzte sich zu den Männern ans andere Tischende, und wir beide fingen an, uns mit unseren Freunden zu unterhalten.
    Es war so, als hätten sich die Dinge nie verändert, und doch war es völlig anders als sonst. Clarice war gewagt und ohne BH in einem hauchdünnen, formlosen weißen Kleid erschienen, in dem sie sich sechs Monate zuvor nicht einmal tot hätte erwischen lassen. Aber sie war noch immer die passionierteste Tratschtante, die ich kannte. Aber dank der Unitarier war sie nun nicht mehr so wütend auf alles, dass jede ihrer Geschichten oder Bemerkungen beißend sein mussten. Barbara Jean war schön wie eh und je in einem perlgrauen Kleid aus ihrer neuen dezenteren, nüchternen Kollektion, und ihr Verhalten verriet mir, dass sie vielleicht zum ersten Mal, seit ich sie kannte, wahrhaft mit sich im Reinen war.
    Vom anderen Tischende hörte ich die übliche Unterhaltung über Sport. Aber auch dort waren die Dinge etwas neu gemischt worden. Richmond war einen Stuhl weitergerutscht und saß nun auf Lesters altem Platz. James saß dort, wo Richmond immer gesessen hatte. Und Chick Carlson saß auf James’ altem Platz.
    Barbara Jean redete nicht von der Zukunft. Sie sagte, sie wolle jeden Tag nehmen, wie er komme. Aber wenn man sie allein erwischte und ein bisschen drangsalierte, gab sie zu, dass das, was gerade passierte – Chicks und ihr Versuch das Glücklichsein zu lernen –, ein Wunder war.
    Ich widersprach Barbara Jean nicht, aber was dieses Thema betraf, hatte ich Mamas Sichtweise der Dinge übernommen. Was wir Wunder nennen, ist bloß das, was vorgesehen ist. Entweder wir ziehen mit, oder wir stellen uns quer. Es sah so aus, als hätte Barbara Jean endlich aufgehört sich dem, was passieren sollte, in den Weg zu stellen. Aber was wusste ich schon? Schließlich hatte ich versucht, mich nicht querzustellen, und mir von dem betrunkenen Geist einer ehemaligen First Lady weismachen lassen, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.
    Als wir uns in die Schlange am Büffet einreihten, sahen wir, dass die Auswahl schon ziemlich dürftig
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