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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Autoren: Edward Kelsey Moore
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geworden war. Als Erma Mae bemerkte, dass ich mir die letzten Rippchen von der Platte schaufelte, sagte sie: »Es kommt gleich Nachschub. Wir haben uns zwar gedacht, dass heute viel los sein würde, aber mit einem solchen Andrang hatten wir nicht gerechnet. Es scheint fast so, als hätten sie sich den Tag im Kalender angestrichen und wären nach der Kirche sofort hierhergehetzt, damit sie die Vorstellung nicht verpassen.«
    Da fiel es mir wieder ein. Genau vor einem Jahr hatte Minnie McIntyre allen verkündet, dass ihr spiritueller Führer, Carl der Großartige, ihr mitgeteilt habe, dass sie nur noch höchstens 365 Tage zu leben hatte. Jetzt war das All-You-Can-Eat voller Leute, die alle gekommen waren, um zu sehen, wie Minnie damit umging, dass sie ein Jahr später quicklebendig aufgewacht war.
    Little Earl kam mit einer übervollen Rippchenplatte aus der Küche gewetzt. Als er mich sah, sagte er: »Odette, schön, dass du wieder hier bist.« Mit der einen Hand stellte er die volle Platte auf dem Warmhaltetisch ab und schnappte sich in einer fließenden, geübten Bewegung mit der anderen die leere. »Das ist wirklich der Wahnsinn heute«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich mich nicht länger mit dir unterhalten kann.« Dann sauste er wieder zurück in die Küche.
    Erma Mae schüttelte den Kopf. »Von wegen das tut ihm leid. Er ist völlig aufgekratzt, dass so viele da sind. Vielleicht können wir Minnie dazu überreden, dass sie ihren Tod von jetzt ab für jeden Sonntag vorhersagt. Dann können wir uns in einem Jahr zur Ruhe setzen.« Jemand winkte ihr von der Kasse aus zu, und sie eilte davon.
    Nachdem wir alle sechs unsere Teller gefüllt hatten, gingen wir zurück an unseren Tisch. Sobald wir wieder saßen, sagte Clarice: »Ich habe gestern Abend mit Veronica gesprochen.« Veronica hatte sofort nachdem auf der Hochzeit ihrer Tochter alles schiefgelaufen war, wieder angefangen mit Clarice zu reden. Seitdem rief sie Clarice fast jeden Tag an, um jede Menge Aufhebens darum zu machen, was Minnie ihr mit ihren Vorhersagen angetan hatte.
    »Geht es ihr schon besser?«, erkundigte sich Barbara Jean.
    »Ein bisschen. Sie schämt sich noch immer zu sehr, um aus dem Haus zu gehen, aber sie hat neue Pillen für die Nerven verschrieben bekommen. Jetzt redet sie nicht mehr ganz so oft davon, Minnie umzubringen. Dafür kichert sie jetzt bei jeder unpassenden Gelegenheit so komisch. Wirklich unheimlich, aber ich nehme an, das ist schon eine Verbesserung.«
    »Es überrascht mich«, sagte ich, »dass sie heute nicht hier ist. Hätte nicht gedacht, dass sie sich Minnies Erklärungsversuch, warum sie noch am Leben ist, entgehen lässt. Vielleicht würde ihr das ein wenig Genugtuung verschaffen.«
    »Nein«, erwiderte Clarice, »sie ist entschlossen, sich bedeckt zu halten, bis die Leute die Hochzeit vergessen haben.«
    »Da wird sie aber verdammt lange drauf warten müssen«, stellte ich fest. »Ich habe das Gerücht gehört, dass der Hochzeitsfotograf sein Material an ›Die lustigsten Videos der Welt‹ verkauft hat.«
    »Echt?«, kreischten Clarice und Barbara Jean wie aus einem Munde.
    »Na ja, nicht wirklich«, gab ich zu. »Aber man wird doch wohl noch träumen dürfen.«
    Barbara Jean fragte: »Was ist mit Sharon? Wie geht es ihr denn?«
    »Nicht so gut«, sagte Clarice. »Ich habe sie nicht gesehen, aber Veronica hat gesagt, sie hätte sich in ihr Zimmer eingeschlossen und würde nur herauskommen, um ihrer Mutter vorwurfsvolle Blicke zuzuwerfen. Zu allem Überfluss lässt die Wirkung ihrer Hypnose nach, und es fällt ihr wieder schwer, sich von den Süßigkeiten fernzuhalten. So niedergeschlagen, wie sie ist, ist es sicher nicht leicht, mit dreihundert Portionen Hochzeitstorte in den Gefriertruhen im Keller zu leben.« Dann wurde Clarice abgelenkt und sagte: »Entschuldigt mich bitte einen Augenblick.« Sie pochte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch und räusperte sich. Als ihr alle ihre Aufmerksamkeit schenkten, sagte sie »Richmond« und streckte die Hand mit der Handfläche nach oben in seine Richtung aus.
    Richmond setzte für ein paar Sekunden seine wenig überzeugende Unschuldsmiene auf. Dann zog er eine große Portion Bananenpudding unter seiner Serviette hervor, wo er ihn versteckt hatte. Er stand auf und brachte den Pudding ans andere Tischende und drückte ihn seiner Teilzeitehefrau in die Hand.
    Chick und James lachten ihn aus und fingen an, ihn aufzuziehen, sobald er wieder auf seinem Stuhl Platz genommen
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