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Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht

Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht

Titel: Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht
Autoren: Rita Mae Brown
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Morgen erstreckte, und seitdem hatte sie kein einziges Rennen versäumt. Wie Thanksgiving, ihr Geburtstag, Weihnachten und Ostern waren die Hindernisrennen, die auf dem Grundstück der Madisons sechseinhalb Kilometer östlich von Orange, Virginia, veranstaltet wurden, Marksteine ihres Lebens.
    Als sie an den Säulen vorbeifuhr, warf sie einen Blick auf die Adler, schenkte ihnen jedoch kaum Beachtung. Der Adler ist ein Raubvogel, der mit tödlicher Zielgenauigkeit aus der Luft auf seine Opfer herabstößt. Die Natur teilt die Geschöpfe in Sieger und Besiegte auf. Der Mensch versucht, diese Eindeutigkeit aufzuweichen. Nicht, dass den Menschen nicht klar wäre, dass es im Leben Sieger und Besiegte gibt, doch sie ziehen es vor, ihre Erfahrungen an Begriffen wie gut und böse, nicht an »fressen und gefressen werden« festzumachen. Wie auch immer, Harry würde diesen frischen, himmelblauen Tag in Erinnerung behalten, und was ihr Gedächtnis abrief, waren die Adler … wie oft hatte sie diese Wächter passiert und doch ihre Bedeutung verkannt.
    Eins stand jedenfalls fest – weder sie noch sonst jemand unter den fünfzehntausend Zuschauern würde dieses eine Montpelier-Rennen jemals vergessen.
    Mrs Miranda Hogendobber, Harrys ältere Freundin und Mitarbeiterin, bestand darauf, mit ihrem betagten Ford Falcon zu fahren statt mit Harrys ramponiertem Transporter, obwohl der Transporter ein paar Jahre weniger auf dem Buckel hatte als der Falcon. Da Harry Arthur Tetrick, dem Rennbahndirektor, versprochen hatte, sich als Bahnrichterin zur Verfügung zu stellen, musste sie zeitig zur Stelle sein.
    Sie fuhren durch das Tor, erklommen die Brücke, die sich über die Bahngleise der Southern Railroad wölbte, tauchten dann in die smaragdgrüne Weite der Rennbahn ein, die rund um den hundert Morgen großen Innenraum verlief. Hindernisse aus Besen und Brettern markierten die Bahn, die von einer weißen Barriere begrenzt war, die die Länge der schwierigen Strecke bestimmte. Zur Rechten, oberhalb der Straße, lag die Sandbahn, die die verstorbene Marion duPont Scott 1929 angelegt hatte, um ihre Rassepferde zu trainieren. Die Bahn, zur Zeit vermietet, war in Gebrauch geblieben und zusammen mit dem Gut nach dem Tod von Mrs Scott im Herbst 1983 an den National Historic Trust übergegangen.
    Geradeaus ragte hinter weiteren säulengeschmückten Toren das eigentliche Montpelier auf, ein pfirsichfarbenes Haus, leuchtend wie ein sanftes Stück Sonnenuntergang, das vom Himmel gefallen war, um sich in den Ausläufern der Südwestkette der Blue Ridge Mountains einzunisten. Harry dachte sich Montpelier, das errichtet worden war, während Amerika mit den Strafsteuern von König George III. zu kämpfen hatte, als eine Art Sonnenaufgang, einen verstohlenen Blick über den Horizont einer neuen politischen Kraft, einer Nation, bestehend aus Menschen von überall her, die eine Vision von Demokratie einte. Dass die Vision verdunkelt oder verzerrt worden war, minderte nicht den Glanz ihrer Geburt, und Harry, nicht gerade ein politischer Mensch, stand leidenschaftlich hinter der Überzeugung, dass die Amerikaner sich an die Prinzipien ihrer Vorväter und Vormütter zu halten hatten.
    Einem solchen Prinzip entsprach es, die schönen Momente im Leben voll auszukosten. James und Dolley Madison hatten ein gutes Pferderennen zu schätzen gewusst und waren sich darin einig gewesen, dass der beste Reiter ihrer Zeit George Washington war. Schon vor James’ Geburt 1752 hatten die Siedler schöne Pferde geliebt, auf sie gesetzt und um sie gestritten. Im Gedenken an ihre Geschichte behielten die Virginier diesen Zeitvertreib bei.
    Tee Tucker, Harrys Corgihündin, saß auf ihrem Schoß und sah aus dem Fenster. Auch sie liebte Pferde, aber heute war sie besonders aufgeregt, weil ihre beste Freundin und ärgste Rivalin, Mrs Murphy, eine Tigerkatze von beeindruckender Intelligenz, zu Hause bleiben musste. Mrs Murphy hatte aus voller Katzenkehle »gemeine Bande« geschrien, doch es hatte nichts genützt; denn Harry hatte ihr erklärt, dass die Menschenmenge sie verwirren und sie entweder ins Auto flüchten und schmollen oder, schlimmer noch, bei sämtlichen geöffneten Kofferraumklappen die Runde machen würde. Murphy konnte sich nicht beherrschen, wenn es um frische Brathühner ging, und die würde es heute massenhaft geben. Ehrlich gesagt war es auch um Tuckers Selbstbeherrschung geschehen, wenn sie Fleischgerichte witterte, aber sie konnte nicht mitten in den Proviant
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