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Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen

Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen

Titel: Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
Autoren: Rita Mae Brown
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hitzige Footballspiele, Schulschwärme und kühle Nächte. Sosehr Harry kaltes Wetter hasste, sosehr liebte sie es, sich ein, zwei neue Pullover kaufen zu müssen. In der Crozet High School hatte sie an einem weit zurückliegenden Oktobertag – im Jahre 1973, um genau zu sein – einen flauschigen roten Pullover getragen und den Blick von Fair Haristeen auf sich gezogen. Die Eichen verwandelten sich in orangefarbene Fackeln, die Ahornbäume färbten sich blutrot, und die Buchen wurden gelb, damals wie heute. Die Herbstfarben waren ihr im Gedächtnis geblieben, und dieser Herbst würde genauso werden. Ihre Scheidung von Fair war sechs Monate her, oder war es ein Jahr? Sie wusste es wirklich nicht mehr, oder vielleicht wollte sie sich nicht erinnern. Ihre Freundinnen blätterten ihre Adressenhefte nach Namen verfügbarer Junggesellen durch. Es gab zwei: Dr. Larry Johnston, den verwitweten Arzt im Ruhestand, der zwei Jahre älter war als Gott; und natürlich Pharamond Haristeen. Selbst wenn sie Fair wiederhaben wollte, was ganz entschieden nicht der Fall war: Er war in eine Romanze mit Boom Boom Craycroft verwickelt, der schönen zweiunddreißigjährigen Witwe von Kelly Craycroft.
    Harry sann darüber nach, dass alle Leute in der Stadt Spitznamen hatten. Olivia war Boom Boom, und Pharamond war Fair. Sie selbst war Harry, und Peter Shiflett, der Besitzer des Lebensmittelladens nebenan, wurde Market genannt. Cabell Hall, Direktor der Allied National Bank in Richmond, war Cab oder Cabby; Florence, seine Ehefrau seit siebenundzwanzig Jahren, wurde Taxi gerufen. Die Marilyn Sanburnes, senior und junior, hießen Big Marilyn oder Mim und Little Marilyn. Wie nahe sie einem die Leute brachten, diese kleinen Spitznamen, diese Markenzeichen der Vertrautheit, die Kosenamen. Die Einwohner von Crozet lachten über die Eigenarten ihrer Nachbarn, sagten voraus, wer was zu wem sagen würde und wann. Das waren die Freuden einer Kleinstadt, die allerdings dieselben Probleme und Schmerzen, dieselben Grausamkeiten, Ungerechtigkeiten und selbstzerstörerischen Verhaltensweisen überdeckten, wie sie in größerem Maßstab in Charlottesville, zwanzig Kilometer östlich, oder in Richmond, gut hundert Kilometer hinter Charlottesville, zu finden waren. Die Tünche der Zivilisation, so unentbehrlich für das alltägliche Leben, konnte in einer Krise schnell abblättern. Manchmal bedurfte es gar keiner Krise: Dad kam betrunken nach Hause und prügelte Frau und Kinder windelweich, oder ein Ehemann kam vorzeitig von der Arbeit in sein mit Hypotheken belastetes Heim und fand seine Frau mit einem anderen Mann im Bett. Oh, in Crozet konnte das nicht passieren, aber es passierte doch. Harry wusste es. Ein Postamt ist das Nervenzentrum jeder Gemeinde, und Harry wusste meist früher als die anderen, was vorging, wenn die Türen geschlossen und die Lichter ausgeknipst waren. Wenn ein Postfach vollgestopft war mit einem Stoß amtlicher Mitteilungen oder mit einer auffälligen Ansammlung von Zahnarztrechnungen, fügte Harry die Geschichten zusammen, die dem Blick verborgen waren.
    Wenn Harry ihre Tiere besser verstünde, wüsste sie sogar noch mehr, denn die Corgihündin Tee Tucker konnte unter die Verandastufen huschen, und Mrs Murphy konnte auf den Heuboden springen, eine Leistung, die die behände Tigerkatze elegant und mühelos vollbrachte. Katze und Hündin verfügten über eine Fülle von Informationen, die sie ihrer relativ intelligenten menschlichen Gefährtin mitteilen konnten. Aber das war nicht einfach. Manchmal musste sich Mrs Murphy vor Mutter Harry auf der Erde wälzen, oder Tee Tucker musste sie am Hosenbein packen.
    Heute tratschten die Tiere nicht über Menschen oder über ihresgleichen. Sie saßen neben Harry und beobachteten Miranda Hogendobber, die, angetan mit rotem Faltenrock, gelbem Pullover und Gartenhandschuhen, ihr kleines Beet beackerte, auf dem massenhaft Speise- und Zierkürbisse gediehen. Harry winkte Mrs Hogendobber zu, die den Gruß erwiderte.
    »Harry«, rief Susan Tucker, Harrys beste Freundin, aus dem Postamt.
    »Ich bin hier draußen.«
    Susan öffnete die Hintertür. »Die reinste Postkartenidylle. Herbst in Mittelvirginia.«
    Während sie sprach, ging die Hintertür des Lebensmittelladens auf, und Pewter, die dicke graue Katze der Shifletts, kam mit einem Hühnerbein im Maul herausgeflitzt.
    Market rief der Katze nach: »Verdammte Scheiße, Pewter, heute kriegst du kein Abendessen.« Er starrte hinter ihr her, wie sie
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