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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers
Autoren: Robert Jackson Bennett
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war das Routine.
    Connelly schloss sich ihnen nicht an. Er ging um das Lager herum weiter zur Stadt.

ZWEI
    Die Stadt konnte nicht mehr als fünfhundert Einwohner haben, wenn überhaupt. Aber es gab alles, was wichtig war: eine Hauptstraße, eine Post, einen Gemischtwarenladen und am Ende der Straße einen Saloon.
    Connelly spähte durch die vergilbten Fenster der Bar. Hinter einer alten Holztheke standen staubige Flaschen aufgereiht. Männer in durchgeschwitzten Hemden und in die Stirn gezogenen Hüten starrten mit Augen wie gefrorener Schlamm in ihre Gläser.
    Bedächtig trat er ein, trat auf, als könnte der Boden jeden Augenblick zusammenbrechen. Alle Männer sahen ihn an, denn seine Größe zog Aufmerksamkeit auf sich. Er nahm die Mütze ab, stopfte sie in die Tasche und setzte sich an die Theke. Die Gäste entspannten sich, als er das tat, erkannten, dass unter den vielen Meilen der Reise noch immer ein Mann steckte, wenn auch zweifellos einer, der die letzten Monate ein raues Leben geführt hatte. Sein Haar war lang gewachsen, und an seinem Kinn spross ein Bart. Er hätte dreißig oder vierzig Jahre alt sein können, vielleicht auch fünfzig, denn seine Haut war von der Sonne tief gebräunt und zerfurcht.
    »Was darf’s sein?«, fragte der Wirt.
    »Whiskey«, sagte Connelly.
    »Zehn Cent.«
    »In Ordnung.«
    Keiner von ihnen rührte sich.
    »Haben Sie keinen Whiskey?«, fragte Connelly.
    »Wir haben Whiskey. Haben Sie zehn Cent?«
    Connelly griff in seine Umhängetasche, holte eine schmale Brieftasche und einen Dime heraus und schob ihn herüber.
    »Tut mir leid«, sagte der Wirt und nahm ihn entgegen. »Ich muss das tun. Es kommen viele Leute rein, bestellen und machen sich dann aus dem Staub.«
    »Schon in Ordnung.«
    Der Wirt schenkte ein und stellte das Glas vor ihm ab. Connelly ergriff es und leerte es mit einem Schluck.
    »Waren Sie lange unterwegs?«, fragte der Wirt.
    »Das hier ist nur ein Zwischenstopp.«
    Ein uralter Mann stand auf und setzte sich neben Connelly. Er bestellte mit zitternden Händen. Dann wandte er sich Connelly zu und musterte ihn; eine schreckliche Ehrfurcht stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Was wird das, Opa?«, fragte der Wirt vorsichtig.
    Der Alte antwortete nicht. Stattdessen sagte er: »Westen.«
    »Was?«, fragte Connelly.
    »Westen. Sie gehen nach Westen, richtig?«
    »Wenn diese Richtung auf meinem Weg liegt, dann ja«, sagte Connelly.
    »Das tun Sie«, sagte der Alte. »Das tun Sie. Das sehe ich. Ich habe genug Leute auf dem Weg nach Westen gesehen, um zu wissen, wenn einer in diese Richtung geht. Und Sie tun das.«
    »Okay.«
    »Sie sollten es nicht tun, wissen Sie. Sie sollten es lassen.«
    »Ich könnte ebenso gut nach Süden oder Norden gehen, gleich, wenn wir mit diesem Gespräch fertig sind.«
    »Nein. Werden Sie nicht. Manche Männer betrachten die Dinge auf eine bestimmte Art, sie gehen auf eine bestimmte Art. Sie werden vom Westen angezogen, von den fernen Ländern. Selbst wenn sie sich abwenden und tagelang ohne Pause laufen, bald blicken sie wieder dem Sonnenuntergang entgegen.«
    »Im Augenblick ziehen viele Leute nach Westen.«
    »Stimmt. Aber Sie sollten es lieber lassen.«
    Connelly spielte mit seinem Glas, ignorierte ihn.
    Der Alte sagte: »Es heißt, dort würde die Sonne das Land küssen wie eine Geliebte. Das mag so sein. Ich war dort. Ich war jahrelang dort. Und wenn dem tatsächlich so ist, dann ist die Liebe der Sonne eine schreckliche, grausame Sache. Wohin auch immer sie küsst, da wächst nichts mehr, wird alles verbrannt, da lebt nichts mehr, und dein Herz ist das einzige seiner Art, das im Umkreis von vielen Meilen schlägt. Und alles ist rot. Wo sich die Sonne und der Horizont und der Sand treffen, da ist alles rot.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, sagte der Alte. »Sie sollten nicht dorthin ziehen. Sie sollten umkehren. Und gehen.«
    »Lassen Sie mich bloß zufrieden«, sagte Connelly.
    »Hören Sie doch«, flehte der Alte. »Hören Sie mir zu. Ich war dort. Ich habe den großen roten Hunger gesehen, und wo er umherstreift, da schmerzt alles. Alles schmerzt von den Steinen bis zum Himmel. Es ist ein zerbrochenes Land. Es ist zerbrochen und verloren, genau wie die, die dort leben, und sie können nicht zurück. Sie sollten nicht dorthin gehen. Das sollten Sie nicht tun.«
    Der Wirt runzelte die Stirn. »Verschwinde, du verrückter alter Narr. Hör auf, meine Gäste zu belästigen, und mach, dass du wegkommst!«
    »Kehren Sie nach Hause
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