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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie
Autoren: Matt Beynon Rees
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Rhythmus an. Er fing meinen Blick auf und zwinkerte mir zu.
    Der Hofmeister brachte uns in einen kleinen Musiksalon. Die Holzvertäfelung war mit Muschel- und Blättermotiven verziert. Vor einem Halbkreis von Stühlen stand ein Klavier. Stumm und still winkte es mir zu.
    Es war ein Klavier von Stein wie das in Wolfgangs Atelier. Ich legte meinen Hut auf den Deckel und spielte ein Arpeggio. Während die Töne in der Stille verklangen, hörte ich, dass sich Leute näherten. Der Hofmeister verbeugte sich bereits. Swieten stand kerzengerade.
    Der Kaiser, gefolgt von einer Gruppe Höflingen, betrat den Salon. Er war groß, hatte runde Augen, trug eine kurze Perücke und einen herbstlichen roten Anzug, der zum Rosenholz an den Wänden passte. Über der Brust trug er eine rote Schärpe.
    Swieten verbeugte sich tief und streckte den Arm anmutig zur Seite. «Eure Majestät», sagte er.
    Schikaneder vollführte eine hastige Verbeugung.
    Hätte Swieten mir nicht rechtzeitig einen Blick zugeworfen, hätte ich einen Hofknicks gemacht. Meine Verbeugung fiel umso förmlicher aus, als ich zum ersten Mal eine praktizierte.
    «Herr Mozart», sagte der Kaiser.
    Ich errötete vor Nervosität, weil die Scharade nun begann. Leopold fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und sah mich an.
    Ich konnte nur hoffen, dass Swieten den Kaiser richtig informiert hatte. Ich hustete, um meine Stimme zu verstellen. «Eure Majestät.» Ich betete, dass ich weiter nichts würde sagen müssen – gewiss würde ich mich sonst als Frau zu erkennen geben.
    Der Kaiser nahm auf einem der Stühle vor dem Klavier Platz. Die Männer, die ihn begleiteten, gingen ebenfalls auf ihre Plätze.
    Außer einem.
    Graf Pergen stand mitten im Raum und starrte mich an. Den Schock und die Ungläubigkeit konnte ich ihm an den Augen ablesen. Obwohl sie normalerweise so verschlagen blickten, waren sie jetzt weit aufgerissen und schimmerten.
    Swieten fasste den Polizeiminister am Ellbogen. Er schob ihn zu einem Stuhl, dessen Polster tanzende Bauern auf einem Frühlingsfest zeigte. Pergen ließ sich mit offenem Mund darauffallen.
    Der Kaiser blinzelte langsam zum Zeichen, dass es ihm genehm sei zu beginnen.
    Ich konzentrierte mich und spielte das melodiöse Allegro aus Wolfgangs schwierigster Sonate in F-Dur. Er hatte sie während seines Besuchs mit seiner jungen Braut in Salzburg komponiert. Ich erinnerte mich an die Kälte, die ich damals Constanze gegenüber an den Tag gelegt hatte. Ich wusste, dass es meinen Bruder verletzt hatte, und spürte in der Musik, wie sehr er darunter gelitten hatte.
    Der zweite, langsame Satz in B-Dur schien die ganze stolze Melancholie in sich aufgenommen zu haben, an die ich mich während Wolfgangs Besuch in den Flitterwochen erinnerte.Diese Musik hatte ihn vor der Missbilligung meines Vaters geschützt, obwohl sie auch die Trauer über die Zurückweisung ausdrückte.
    Als ich das Adagio beendete, blickte ich zum Kaiser hinüber. Er kratzte sich am blassen Doppelkinn. Neben ihm zitterte Pergen wie der aufgewühlte Wasserspiegel eines Teichs; er verschränkte die Hände über dem Schoß, und sein starrer Blick hob sich nie von den Goldschnallen meiner Schuhe.
    Während der ersten, schnellen Tonfolgen des
Allegro assai
behielt ich Pergen im Auge. Sein Hals zuckte, als wären die perlenden Töne Schläge, die auf ihn niedersausten. Wie die armen Gefangenen hatte man ihn zu einer öffentlichen Prügelstrafe verurteilt, dachte ich.
    Ich schlug einen falschen Ton an und registrierte eine Veränderung des Tempos. Ich begriff, dass meine Rachsucht meine Konzentration und meine Freude an der Musik beeinträchtigte. Ich wandte den Blick vom Polizeiminister ab. Im schnellen Finale erwachte die Tastatur zum Leben.
    Ich schlug den Schlussakkord an. Der Kaiser erhob sich und klatschte Beifall, in den seine Höflinge einfielen. Mit erhobener Hand bat er um Ruhe.
    «Eine solche Darbietung dieser göttlichen Musik hätte uns niemand anders geben können», sagte er, «als der unsterbliche Mozart.»
    Aschfahl und zitternd schwankte Pergen, als der Kaiser wieder seinen Platz einnahm.
    «Was werden Sie uns nun darbieten, Maestro Mozart?», sagte Leopold.
    Ich hustete und blickte alarmiert zu Swieten, der aber bereits vorgetreten war und das Wort ergriff. «Wir hatten die Absicht, eine Szene aus des Maestros Oper
Don Giovanni
aufzuführen», sagte er.
    «Ausgezeichnet.
Don Giovanni oder Der bestrafte Wüstling,
wie,glaube ich, der volle Titel lautet. Eine moralische
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