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Moskito

Moskito

Titel: Moskito
Autoren: Nancy Kress
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VERBOTEN! Cavanaugh hatte Glück. Nicht nur, daß sein Wagen keine Reparatur nötig hatte, auch die Bar war offen. Bisher war ihm im Saint Mary’s County als einziges Lokal, das zu dieser späten Stunde noch geöffnet hatte, das ›Internationale Pfannkuchenhaus‹ bekannt gewesen.
    Im Innern der Bar war es kühl und dunkel. Er trank langsam und bedächtig zwei Biere, fuhr dann gemächlich quer über die Halbinsel zurück und schaffte es so, fünfzehn Minuten vor Mitternacht daheim zu sein. Kein Licht brannte mehr in dem Haus über dem Fluß.
    Bevor er auf Zehenspitzen hineinging, zog Cavanaugh das Handy hervor und rief seinen Anrufbeantworter im Büro an. Zwei Botschaften waren da. Die eine von Schwester Pafford, die ihn bat, ihren Namen nicht zu erwähnen, wenn er zu irgendwelchen anderen Leuten aus dem medizinischen Bereich sprach; die andere stammte vom Direktor der Mittelschule, der ihn daran erinnerte, daß für Dienstag zweiundvierzig Dreizehnjährige darauf brannten, ihn über all die aufregenden Karrieremöglichkeiten beim FBI vortragen zu hören.

ZWEI
     
    In der Medizin ist es eine Todsünde, das Falsche zu tun; gar nichts zu tun ist hingegen nur eine läßliche.
    - Bulletin der Medizinischen Akademie New York, 1929
     
     
    Jeden zweiten Mittwochmorgen fand Cavanaugh sich zur Mitarbeiterkonferenz im Büro der FBI-Dienststelle Baltimore ein. Dort war er der Repräsentant für Maryland-Süd – in erster Linie, damit Donald Seton, der Leitende Special Agent für Maryland-Süd, nicht seinen fetten Hintern in Bewegung setzen mußte.
    »Sie fahren nach Baltimore?« fragte Seton.
    Er hatte sein ganzes Berufsleben als FBI-Beamter verbracht, stand kurz vor der Pensionierung und war, soweit Cavanaugh hatte herausfinden können, seit dreiundzwanzig Jahren ein totes Gewicht auf dem Rücken des FBI. Obwohl er als früher möglicherweise gutaussehender Mann in eine nunmehr gewaltige trägheitsbedingte Breite gegangen war, zog Seton sich immer noch an wie ein Mitglied von J. Edgar Hoovers FBI: dunkler Anzug, schmale dunkle Krawatte und ein weißes Hemd, das an den Knöpfen aufzuplatzen drohte. Er vertrödelte die Vormittage im Büro und nachmittags fuhr er entweder zum Marinefliegerstützpunkt ›Patuxent River‹ zu nicht näher bezeichneten ›Nachforschungen‹ oder verbrachte die Zeit in einer Bar mit der ›Betreuung von Informationsquellen‹. Seton füllte mehr 302er aus – die Formblätter, die für Aufstellungen von Beweismaterial und für Berichte von Informanten verwendet werden – als jeder andere Agent, den Cavanaugh kannte. Er hatte den Verdacht, daß Setons Informantenberichte zum Großteil aus den Fingern gesogen waren, aber bisher hatte er sich noch nicht dazu aufraffen können, das zu überprüfen – was ihm ohnehin nicht zustand. Seton war immerhin sein Boss.
    »Konferenz«, antwortete Cavanaugh emotionslos. »Haben Sie was für Dunbar?«
    »Natürlich«, grinste Seton affektiert. Er hatte immer Papiere für Dunbar. Informantenberichte, Berichte laufender Untersuchungen, Reiseberichte, Berichte über Berichte – alles schriftlich. Es sah so aus, als wäre Seton der produktivste Agent der Ostküste. »Diese Mappe hier.«
    »Eine Menge los am Pax River, wie?«
    »Wissen Sie doch«, sagte Seton mit einem Zwinkern.
    »Sie müssen mich bald mal über alles informieren. Für den Fall, daß Sie einem Ihrer gefährlichen Verdächtigen ins Messer laufen und ich die Recherchen zu Ende führen muß.«
    Seton lachte. Sarkasmus prallte an ihm ab. »Viel Vergnügen bei der Konferenz, Bob.«
    »Robert«, sagte Cavanaugh automatisch wie immer. Aber Seton hatte sich bereits wieder seinem Computer zugewandt. Cavanaugh konnte einen kurzen Blick auf ein außerirdisches Raumschiff werfen, bevor es lautlos explodierte. Er verließ das Büro und fuhr nach Baltimore.
    Mitarbeiterkonferenzen waren immer ziemlich gemischte Angelegenheiten für Cavanaugh. Schon die Fahrt nach Norden erfüllte ihn mit einer heftigen Sehnsucht nach Stadtautobahnen, die sich in vielschichtigen Kleeblättern kreuzten, nach Einkaufszentren und nach chinesischen Restaurants. Die Reihenhäuser von Baltimore weckten Heimweh. Aber nichts davon kam auch nur annähernd dem Gefühl von Neid nahe, das die Teilnahme an der Konferenz selbst in ihm hervorrief.
    Jerry Dunbar, der Leitende Special Agent, dem zweihundert Ermittlungsbeamte in Maryland und Delaware unterstanden, warf einen Gegenstand von der Größe einer Zigarettenschachtel in die Mitte des
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