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Morphium

Morphium

Titel: Morphium
Autoren: Agatha Christie
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Tages in Hunterbury leben würden. Er selbst hätte es gern getan, er liebte das Landleben. Was Elinor anging, hatte er jedoch seine Zweifel, vielleicht würde sie lieber in London wohnen…
    Es war etwas schwer, aus Elinor klug zu werden. Sie enthüllte nicht viel von dem, was sie über die Dinge dachte und fühlte. Aber gerade das gefiel ihm an ihr… Er mochte Leute nicht, die ihre Gedanken und Gefühle stets zur Schau stellten, die von vornherein annahmen, dass man ihren ganzen inneren Mechanismus zu kennen wünschte. Verschlossenheit war immer viel interessanter.
    Elinor, dachte er, ist wirklich vollkommen. Nichts an ihr stieß ab oder verletzte. Sie war entzückend anzusehen, witzig in der Unterhaltung – alles in allem die reizendste Gefährtin.
    Er dachte, mit sich selbst zufrieden: Ich hab ein Mordsglück, dass ich sie bekommen habe! Kann mir gar nicht denken, was sie an einem Burschen wie mir eigentlich findet.
    Denn Roderick Welman war zwar anspruchsvoll, aber nicht eingebildet. Es schien ihm wirklich merkwürdig, dass Elinor eingewilligt hatte, ihn zu heiraten.
    Das Leben breitete sich recht angenehm vor ihm aus. Man wusste doch so ziemlich, wie man stand; das war immer ein Segen. Er vermutete, dass sie bald heiraten würden – das heißt, wenn Elinor es wünschte; vielleicht würde sie lieber noch ein wenig warten. Er durfte sie nicht drängen. Im Anfang würden sie ja etwas knapp bei Kasse sein, doch brauchte man sich darüber keine Sorgen zu machen. Er wünschte Tante Laura noch viele Lebensjahre. Sie war ein lieber Kerl und immer nett zu ihm gewesen, hatte ihn in den Ferien eingeladen und sich stets für alles, was er tat, interessiert.
    Seine Gedanken scheuten vor der Vorstellung ihres Todes zurück – er scheute sich stets vor konkreten Unannehmlichkeiten. Er machte sich unangenehme Dinge nicht gern so recht klar… Aber – nun – danach würde es sehr angenehm sein, hier zu leben, besonders da genug Geld da sein würde, um das Gut zu halten. Wie seine Tante das Vermögen wohl verteilt hatte? Nicht, dass das besonders wichtig gewesen wäre. Bei manchen Paaren mochte viel daran gelegen sein, ob der Mann oder die Frau das Geld hatte, aber bei Elinor nicht. Sie besaß Takt und machte sich nicht soviel aus Geld, um ihm zu viel Bedeutung beizumessen.
    Nein, dachte er abschließend, ich brauche mir keine Sorgen zu machen, was auch geschieht!
    Er verließ den Küchengarten durch die Tür am anderen Ende. Von dort wanderte er in das kleine Wäldchen, wo im Frühling die Narzissen blühten.
    Plötzlich überkam ihn eine merkwürdige Unruhe – eine leichte Störung seiner eben noch so zufriedenen Stimmung. Er fühlte: Es gibt etwas – etwas, das ich nicht habe – etwas, das ich brauche – das ich brauche…
    Das goldig-grüne Licht – die weiche Luft – ein beschleunigter Puls überkam ihn… eine plötzliche Ungeduld.
    Ein Mädchen trat aus den Bäumen auf ihn zu – ein Mädchen mit hellem, leuchtendem Haar und rosiger Haut.
    Er dachte: Wie schön – wie unsagbar schön.
    Etwas packte ihn; er stand ganz still, als sei er festgefroren. Die Welt, fühlte er, drehte sich um ihn, stand Kopf, war plötzlich unmöglich und herrlich und toll!
    Das Mädchen blieb stehen, dann ging es weiter. Es kam auf ihn zu, und er stand da, stumm wie ein Fisch, mit offenem Mund.
    Sie fragte etwas zögernd:
    »Erinnern Sie sich nicht an mich, Mr Roderick? Es ist lange her, natürlich. Ich bin Mary Gerrard vom Pförtnerhaus.«
    »Oh – oh – Sie sind Mary Gerrard?«
    »Ja.«
    Dann fuhr sie etwas scheu fort:
    »Ich habe mich natürlich verändert, seit Sie mich zuletzt gesehen haben.«
    »Ja, das kann man wohl sagen. Ich – ich hätte Sie nicht erkannt.« Er stand da und starrte sie an. Er vernahm die Schritte hinter sich nicht.
    Elinor stand eine Minute regungslos. Dann sagte sie:
    »Hallo, Mary!«
    »Oh – guten Tag, Miss Elinor. Schön, Sie wiederzusehen. Mrs Welman hat sich schon so auf Ihr Kommen gefreut.«
    »Ja – es ist einige Zeit her. Ich – Schwester O’Brien hat Sie gesucht. Sie will Mrs Welman umbetten und sagte, Sie helfen ihr gewöhnlich dabei.«
    »Ich gehe gleich.«
    Sie entfernte sich und begann zu laufen. Elinor sah ihr nach. Mary lief gut, ihre Bewegungen waren voller Grazie.
    Roddy sagte leise: »Atlanta…«
    Elinor antwortete nicht. Sie blieb ein paar Minuten ganz still stehen. Dann sagte sie:
    »Es ist gleich Zeit zum Lunch. Wir sollten zurückgehen.«
    Sie schritten Seite an Seite auf das
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