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Morphium

Morphium

Titel: Morphium
Autoren: Agatha Christie
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ich mich nach einer zweiten Pflegerin umsehen, die hier wohnen kann. Zu dumm, diese Diphtherie-Epidemie drüben in Starrford; da herrscht jetzt schon Mangel an Pflegerinnen.«
    Nachdem er seine Anordnungen getroffen hatte, ging er hinunter, um die Nichte und den Neffen zu empfangen, die nun jeden Moment eintreffen mussten.
    In der Halle begegnete er Mary Gerrard; sie sah blass und geängstigt aus und fragte:
    »Geht es ihr besser?«
    »Ich kann ihr eine ruhige Nacht verschaffen – das ist alles.«
    »Es scheint einem so grausam – so ungerecht – «
    Er nickte teilnehmend.
    »Ja, es scheint manchmal so. Ich glaube – «
    Er brach ab.
    »Da ist das Auto.«
    Er ging hinaus in die Halle, und Mary lief hinauf.
    Elinor fragte, als sie ins Wohnzimmer trat:
    »Steht es sehr schlimm?«
    Roddy sah blass und besorgt aus.
    »Ich fürchte, Sie werden erschrecken«, erwiderte Dr. Lord ernst. »Sie ist völlig gelähmt, ihre Sprache kaum verständlich. Übrigens quält sie etwas Bestimmtes. Es hat mit ihrem Rechtsanwalt zu tun. Wissen Sie, wer es ist, Miss Carlisle?«
    »Mr Seddon – Bloomsbury Square. Aber um diese Zeit wird er nicht dort sein, und seine Privatadresse kenne ich nicht.«
    »Nun, morgen wird noch Zeit genug sein. Aber ich möchte Mrs Welman so bald wie möglich beruhigen. Wenn Sie jetzt mit mir hinaufkommen wollen, Miss Carlisle, so wird uns das gemeinsam gelingen, denke ich.«
    »Natürlich, ich komme gleich mit.«
    Roddy fragte hoffnungsvoll:
    »Mich brauchen Sie nicht?«
    Er schämte sich ein wenig vor sich selbst, aber er hatte eine nervöse Scheu, ins Krankenzimmer zu gehen, Tante Laura dort sprach- und hilflos liegen zu sehen.
    Dr. Lord beruhigte ihn.
    »Nicht im Geringsten, Mr Welman. Es ist besser, wenn nicht zu viele Leute im Zimmer sind.«
    Roddys Erleichterung war offensichtlich.
    Dr. Lord und Elinor gingen hinaus.
    Schwester O’Brien war bei der Patientin. Laura Welman lag schweratmend da. Elinor blickte ergriffen auf das verzerrte Antlitz nieder.
    Plötzlich zuckte Mrs Welmans rechtes Auge und öffnete sich. Eine schwache Veränderung deutete auf ihrem Gesicht an, dass sie Elinor erkannte.
    Sie versuchte zu sprechen.
    »Elinor…« Das Wort wäre für jeden unverständlich gewesen, der nicht gewusst hätte, was sie sagen wollte.
    Elinor beugte sich über sie.
    »Ja, Tante Laura. Du willst etwas? Du wünschst, dass ich Mr Seddon holen lasse?«
    Wieder einer dieser heiseren, rauen Töne. Elinor erriet seine Bedeutung.
    »Mary Gerrard?«
    Langsam und zitternd bewegte sich die rechte Hand bejahend. Ein längerer gurgelnder Ton kam von den Lippen der Kranken. Dr. Lord und Elinor strengten sich vergeblich an. Schließlich erhaschte Elinor ein Wort.
    »Versorgung? Du willst in deinem Testament für sie sorgen? Du willst, dass sie etwas Geld bekommt? Ich verstehe, liebe Tante. Das wird ganz einfach sein. Mr Seddon wird morgen herkommen, und alles soll genau so geschehen, wie du es wünschst.«
    Die Leidende schien erleichtert. Der gequälte Ausdruck schwand aus ihrem flehenden Auge. Elinor griff nach ihrer Hand und fühlte einen schwachen Druck von ihren Fingern.
    Mrs Welman brachte mit großer Anstrengung heraus:
    »Du – alles – du…«
    »Ja, ja, überlass nur alles mir. Ich werde dafür sorgen, dass alles, was du willst, getan wird!«
    Sie fühlte wieder den Druck der Finger, dann gaben sie nach, die Augenlider sanken herab und schlossen sich.
    Dr. Lord legte die Hand auf Elinors Arm und zog sie sanft aus dem Zimmer. Schwester O’Brien nahm ihren Platz neben dem Bett wieder ein.
    Draußen redete Mary Gerrard mit Schwester Hopkins. Sie trat hastig vor.
    »Ach, Dr. Lord, kann ich zu ihr hineingehen, bitte?«
    Er nickte.
    »Verhalten Sie sich aber ganz ruhig und stören Sie sie nicht.«
    Mary ging ins Krankenzimmer.
    Dr. Lord wandte sich zu Elinor.
    »Ihr Zug hatte Verspätung. Sie – « Er hielt inne.
    Elinor hatte den Kopf gewandt, um Mary nachzusehen. Plötzlich bemerkte sie sein jähes Verstummen. Sie wandte den Kopf und schaute ihn fragend an. Er starrte sie mit einem erschrockenen Ausdruck an. Das Blut stieg Elinor in die Wangen. Sie murmelte hastig:
    »Entschuldigen Sie, was meinten Sie eben?«
    Peter Lord sagte langsam:
    »Was ich sagte? Ich weiß nicht mehr. Miss Carlisle, Sie waren großartig da drinnen!« Er sprach mit Wärme. »Rasch im Verstehen, beruhigend, alles, wie es sein sollte.«
    »Arme Tante Laura! Es hat mich erschüttert, sie so zu sehen.«
    »Natürlich. Aber Sie haben es
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