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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen
Autoren: Peter Schwindt
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immer, wenndie Ausgrabungsstätte das Ziel war, eine niedrige Flughöhe gewählt, sodass man durch die Fenster sehen konnte, wie sich der riesige Auftriebskörper in tiefgrünen Waldseen spiegelte. Baumwipfel kratzten am Boden der Gondel, Elche flohen mit trägen Bewegungen ins Unterholz. Doch Mersbeck hatte keinen Blick für das, was sich unter ihm abspielte. Er starrte hinüber zum Horizont, wo die Wachtürme des Lagers die Bäume des Waldes überragten. Er biss die Zähne zusammen und versuchte den Abscheu zu unterdrücken, den er jedes Mal verspürte, wenn er an diesen Ort des Schreckens und der Hoffnungslosigkeit zurückkehren musste.
    Die Koroba war keine Krankheit, mit der sich spaßen ließ. Sie konnte einen kerngesunden Mann in wenigen Wochen, manchmal sogar innerhalb von Tagen töten. Die Krankheit begann mit heftigem Erbrechen, das den Kranken in kürzester Zeit so sehr schwächte, dass er zusammenbrach. Dann kam es zu Durchfall und Darmblutungen, bis schließlich ein sengendes Fieber einen gnädigen Tod herbeiführte. Jeder, der diesen rasanten Verfall einmal miterlebt hatte, fürchtete die Koroba, denn es gab bis zum heutigen Tag kein Mittel gegen sie. Würde sie von einem Bakterium oder einem Virus ausgelöst, hätte Mersbeck sie heilen können. Doch bis jetzt hatte er noch keinen Erreger finden können, obwohl er vermutlich der beste Biologe des Landes, wahrscheinlich sogar der ganzen Welt war. Ihm standen Mittel zur Verfügung, von denen andere nur träumen konnten.
    Mersbeck spürte, wie ein Ruck durch das Luftschiff ging, als Kapitän Stalling die Stellung der Propeller änderte, um den Landeanflug vorzubereiten. Wenige Minuten später gabes einen Schlag, und die Unverwundbar machte am Ankermast fest. Eine Treppe wurde herangeschoben, dann öffnete sich die Tür zur Gondel und der Kopf von Oberst Arkotovs Adjutant erschien. Seine leichenblasse Haut schimmerte wie Wachs, der Körper war ausgemergelt wie der eines Menschen, der kurz vor dem Hungertod stand. Der Mann hatte zum Gruß die rechte Hand an den Schirm der Mütze gelegt.
    »Sie können aussteigen, Doktor Mersbeck.« Seine Stimme war schneidend, aber rau.
    Mersbeck bemerkte, wie schwer ihm das zivile Doktor über die Lippen kam. Ja, das waren die jungen Burschen von der Militärakademie: Kadetten, die nichts als Drill und Gehorsam kannten, aber von der eigenen Überlegenheit so überzeugt waren, dass sie Zivilisten im günstigsten Fall als fremdartige Wesen aus einer anderen Welt betrachteten. Andere wie Arkotov vertraten eine etwas drastischere Meinung. Und er hielt mit ihr nicht hinter dem Berg. Arkotov hatte Mersbeck gegenüber ganz offen geäußert, dass er Begarell und seine Regierung verabscheute und dass man die ganze Brut so schnell wie möglich an die Wand stellen sollte.
    »Oberst Arkotov erwartet Sie in seinem Büro«, sagte der Adjutant. »Erlauben Sie mir, dass ich vorgehe.«
    Mersbeck schaute sich um. Überall lungerten zerlumpte Gestalten in Holzpantinen und grauen Sträflingsanzügen herum. Niemand schien sich daran zu stören, dass sie nichts arbeiteten, Mersbecks Begleiter schien einfach durch sie hindurchzusehen. Jede der hinfälligen Gestalten trug eine sechsstellige Nummer über der linken Brusttasche. Auf den Rücken der Jacke hatte man ihnen mit weißer Farbe ein Zielkreuzgemalt, damit die Wachen sie bei einem Fluchtversuch leichter treffen konnten. Als Mersbeck an ihnen vorüberging, nahmen sie demutsvoll die Kappen vom Kopf und verneigten sich tief. Der Adjutant würdigte sie keines Blickes. Stattdessen führte er den Besuch zu einem großen Blockhaus. Er klopfte an. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür und bedeutete Mersbeck einzutreten.
    »Ah, mein lieber Doktor!«, rief Arkotov und stand auf. Sein Bauch, über dem sich ein fleckiges Unterhemd spannte, war aufgedunsen. Der Bart war seit Wochen nicht mehr gestutzt worden. Die spärlichen Haare, die eine schorfige Glatze umkränzten, standen wirr nach allen Seiten ab. Ein stechender Geruch nach vergorener Milch ging von ihm aus. Vor Arkotov stand ein Teller Suppe. »Kommen Sie, setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas zu essen anbieten? Die Kohlsuppe ist wie immer äußerst vorzüglich! Oder sagen wir so: Sie ist das Einzige, was mein Magen noch bei sich behält.«
    Mersbeck hob abwehrend die Hand und nahm in einem der Sessel Platz, die bei der Tür standen.
    »Wenigstens einen Branntwein?« Arkotov ging zu einer Anrichte, um zwei Gläser zu
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