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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen
Autoren: Peter Schwindt
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füllen.
    »Nein, besten Dank«, sagte Mersbeck. »Sie werden sich denken, dass ich nicht zum Vergnügen hier bin.«
    Arkotov stellte die Flasche mit den Gläsern wieder hin. »Keiner ist hier zum Vergnügen«, sagte er. Seine Jovialität war schlagartig aus der Stimme verschwunden.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Mersbeck.
    Arkotov schien nachzudenken, dann wiegte er abwägend den Kopf hin und her. »Ich glaube, heute geht es mir gut.Doch. Das möchte ich behaupten.« Er lächelte. »Wissen Sie, wenn man stirbt, ist jeder Tag ohne Schmerzen ein guter Tag. Die Koroba ist heimtückisch. Manche holt sie schnell, macht kurzen Prozess mit ihnen. Mit anderen spielt sie und versucht herauszufinden, wie weit sie gehen kann, bevor ihr Opfer wahnsinnig vor Schmerzen wird. Meine Mutter sagte immer, die größte Prüfung im Leben eines Menschen ist der Tod. Nun ja, was soll ich sagen? Sie hatte Recht.«
    Mersbeck stand nicht auf. Er hatte erlebt, wie dieser Kerl, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Frau per Kopfschuss hingerichtet hatte. Sie hatte versucht, für ihr Kind, das an diesem Ort krank und missgestaltet zur Welt gekommen war, etwas Milch zu besorgen. Nachdem sie aufgrund der Hungerrationen, die die Häftlinge bekamen, selbst nicht stillen konnte, hatte sie in ihrer Verzweiflung Milch gestohlen. Und das war eine Tat, auf die in Arkotovs kleiner Welt die Todesstrafe stand, denn wo führte so etwas hin? Heute stahl man Milch, morgen ein Brot! Und was kam übermorgen? Eine Revolte? Nein, um die Ordnung zu wahren, musste man nach Arkotovs Logik hart durchgreifen. Dabei hatte er auch noch aus einem – wie er es nannte – Akt der Gnade das Kind von seinem Elend erlöst. Nein, Mersbecks Mitleid für dieses Monster hielt sich in Grenzen.
    »Wo ist Professor Falun?«
    »Na, wo soll er schon sein«, brummte Arkotov, der sich nun doch einen genehmigte. »In seinem Labor.« Er schaute nachdenklich das Glas an, stellte es schließlich weg und trank aus der Flasche.
    Mersbeck stand auf und verließ die Kommandantur.
    Er eilte über den Appellplatz und hielt auf einen schmucklosen, zweistöckigen Bau zu, von dem der weiße Putz abblätterte und die darunterliegenden porösen Backsteine freigab. Wie im Rest des Lagers schien auch hier niemand mehr dem Verfall Einhalt gebieten zu wollen.
    Professor Johann Faluns Labor befand sich im linken Flügel des Gebäudes. Die holzvertäfelten Wände des Korridors waren zerkratzt, der rote Teppich abgewetzt, stockfleckig und staubig. In den Anfangszeiten hatte hier die gediegene Atmosphäre eines akademischen Clubs geherrscht, aber nun hatte auch hier wie überall im Lager der schleichende Tod Einzug gehalten.
    »Professor?«, rief Mersbeck. »Wo stecken Sie ?«
    »Hier!«, kam es ungeduldig aus einem der Räume, die sich am Ende des Flurs befanden. »Was ist denn?«
    »Ich bin es. Mersbeck.« Er hob ein Blatt Papier auf, das jemand achtlos fallen gelassen hatte, und warf einen kurzen Blick darauf. Das Scharren eines Stuhles war zu hören, und Falun erschien im Türrahmen.
    »Verdammt, warum haben Sie sich denn nicht angekündigt?« Er trat neben Mersbeck, nahm ihm das Blatt aus der Hand und warf es wieder auf den Boden.
    »Ich habe Ihnen eine Nachricht über den optischen Telegrafen zukommen lassen«, sagte Mersbeck. »Haben Sie die nicht erhalten?«
    Falun schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Arkotov, dieser Hund. Nur weil er das Ende unserer Tage kommen sieht, bricht hier alles zusammen. Der Kerl hat einfach kein Pflichtgefühl.«
    »Warum sind Sie allein?«, fragte Mersbeck.
    »Die anderen liegen auf dem Krankenrevier oder unter der Erde.« Falun ging zurück in sein Labor und ließ sich auf seinen kleinen Rollhocker fallen. Er sah zwar nicht ganz so schlimm aus wie Oberst Arkotov, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis auch ihn die Koroba ins Grab stoßen würde. Die geröteten Augen blinzelten unentwegt. Wahrscheinlich war die Bindehaut entzündet, denn gelbes, eingetrocknetes Sekret klebte in den Augenwinkeln.
    »Wie lange geht das schon so?«, fragte Mersbeck.
    »Richtig schlimm ist es geworden, als wir vor Tagen in die tieferen Schichten vorgedrungen sind. Dort haben wir ein interessantes Objekt gefunden.«
    »Kann ich es einmal sehen?«
    »Sicher. Sie sollten nur darauf achten, dass Sie einen gebührenden Abstand einhalten.« Falun ging zu einer Kiste, deren schweren Deckel er jetzt anhob. Er holte etwas heraus, was die Form einer Art Pistole hatte.
    »Das ist eine
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