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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung
Autoren: Eric Malpass
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schwieg.
    Bert verlor die Beherrschung. «Sag’s», schrie er. «Los, sag’s. Sag, » Er schlug Gaylord mitten zwischen die Augen.
    Gaylord brach zusammen, und Bert trat ihn, wild, viehisch, böse, bis seine Brüder selber Angst bekamen und ihn fortzerrten. Und Gaylord blieb in der glühenden Sonne blutüberströmt liegen, und dicke Fliegen krabbelten gierig auf ihm herum.

23
     
    Stan legte Sturzhelm und Handschuhe in der Halle ab und trat mit Rose in die Nachmittagssonne hinaus. Er war schweigsam. Sie schob ihren Arm unter den seinen. «Du machst dir doch keine Gedanken mehr über die dumme Geschichte mit dem Boot?» fragte sie neckisch.
    «Es war mehr als eine dumme Geschichte», sagte er, «es war typisch für mein ganzes Leben...»
    Sie blieb wie angewurzelt stehen. «Ach, sei doch bloß nicht ein solcher Narr», sagte sie wütend. «Jeder von uns stellt sich mal dumm an, aber deshalb muß man doch nicht wochenlang darüber nachbrüten.»
    «Entschuldige», sagte er steif. Und sie dachte kläglich: O Gott, was hab ich jetzt wieder angerichtet.
    Aber in diesem Augenblick sagte er: «Sieh mal dort, was ist das?»
    Sie folgte seinem Blick. «Das ist ein alter Steinbruch», sagte sie. «Es ist...»
    «Nein», sagte er. «Ich meine dort», und wies dabei auf das Gebüsch am Eingang des Steinbruchs.
    Sie sah hin und sah ein nacktes Bein, das aus den Brennesseln hervorschaute. Ein Anblick, der sie mit Grauen erfüllte. Aber Stan war schon hingeeilt und riß die Brennesseln auseinander: «Rose, bleib dort», rief er. «Es ist dein Neffe.»
    Aber da war sie schon bei ihm und sah schreckerfüllt auf den blutigen, zusammengekrümmten Gaylord. «Er... er ist... ist doch nicht tot?» fragte sie entsetzt.
    Aber Stan war bereits fieberhaft dabei, sein Hemd in Streifen zu reißen und Gaylords Oberarm damit abzubinden. Und während er das tat, sagte er lediglich ganz knapp und bestimmt: «Nein, er ist nicht tot, aber übel zugerichtet. Lauf nach Haus und versuch, so schnell wie möglich einen Krankenwagen herbeizuholen. Dann komm gleich wieder.»
    «Ja», sagte sie. «Ja, Stan», und flog davon. Als sie das Blut sah, wäre sie fast ohnmächtig geworden, aber sie bezwang sich und lief den Weg hinunter und die Auffahrt hinauf ins Haus. Jocelyn war der einzige, den sie antraf. Sie begegnete einem Blick fassungslosen Erstaunens. «Gaylord», keuchte sie. «Er ist verletzt. Im alten Steinbruch.»
    Alle Farbe schwand aus seinem Gesicht. «Aber...» sagte er. «Aber...»
    Sie hing bereits am Telefon. Einen Augenblick lang betrachtete Jocelyn sie hilflos. Dann rannte er aus dem Haus und hörte nicht auf zu laufen, bis er den Steinbruch erreicht hatte.
    Stan hielt Wache neben dem bewußtlosen Gaylord. Er hatte einen Bach ausfindig gemacht und mit einem Hemdfetzen das Blut abgewaschen. Jocelyn sah seinen Sohn. Noch nie in seinem Leben hatte er solch ein Opfer brutaler Gewalt gesehen. Der Anblick des kleinen zerschlagenen Gesichts erfüllte ihn mit Mitleid und mit einer Wut, wie er sie noch nie empfunden hatte. «Wird er durchkommen?» hörte er sich fragen.
    «Soweit ich es beurteilen kann, ja», sagte Stan. «Aber ich bin kein Arzt.»
    Jocelyn hockte sich nieder und nahm behutsam die Hand seines Sohnes. «Vielen Dank jedenfalls», sagte er, «für das, was Sie getan haben.»
    Stan sagte, fast zu sich selbst: «Die Welt ist doch ein übler Ort. Wer kann nur einem Kind so etwas Schreckliches an tun?»
    «Sie haben recht.» Die Bitterkeit seiner eigenen Stimme überraschte Jocelyn. Ein Klang, den er bis jetzt bei sich nicht gekannt hatte. «Die Welt ist ein übler Ort.»
    Schwer hing der Duft des Geißblatts in der warmen Luft, und gegen den Sommerhimmel schimmerten die Blätter grün und friedlich.
     
    Eilige Schritte kamen den Weg herunter. Jocelyn sah auf. Es war May, zusammen mit Rose. Sie sah Jocelyn an, als wäre er ein Fremder. Dann kniete sie neben ihrem Sohn nieder und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. «Dafür werde ich jemand umbringen», sagte sie ruhig.
    Und dann war es Abend, und Gaylord lag im Krankenhaus, schwebte zwischen Leben und Tod. Das Haus wimmelte von Polizei und Familie. Jocelyn glaubte sich in einem Albtraum zu befinden. Das konnte doch kein Mensch Gaylord angetan haben. Das war doch undenkbar. Dann bemerkte er, daß jemand mit ihm sprach. Er versuchte, sich zu konzentrieren. Es war May. Seine Frau. Gaylords Mutter. «Was hast du gesagt?» fragte er und sah sie entgeistert an.
    Sie legte eine
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