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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot
Autoren: Tanja Heitmann
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davon. Diese ganze verfluchte Höhlenflucht bricht zusammen, alles wird geflutet ...«
    Adam unterbrach sie unwirsch: »Er ist das Risiko wert!« Ohne sie anzuschauen, ließ er Carriere wieder auf den Boden sinken, umfasste seine Handgelenke und zog ihn Ruck für Ruck in Richtung der abgesenkten Deckenhälfte. Als Lea sich anschickte, ihm dabei zu helfen, verpasste er ihr einen Stoß. Nicht grob, aber deutlich genug, dass sie zurückwich.
    Ehe das Wasser den Boden vollständig flutete und die Stromkabel zuckend im Dunkel verschwanden, hatten die drei sich auf die heruntergestürzte Decke gerettet. Obwohl der Untergrund beunruhigend nachgiebig und brüchig war, verharrte Lea neben Adam und dem weiterhin bewusstlosen Carriere. Immer mehr Mauerwerk brach aus der gegenüberliegenden Wand, und die Fontänen verwandelten sich in Sturzbäche. Lea konnte zusehen, wie die Wassermarke stieg. Gern hätte sie Adam vorangetrieben. Doch sie spürte, dass er diese Entscheidung allein fällen musste. Dabei sah er so elend aus, dass es ihr fast das Herz brach.
    »Ich kann ihn nicht noch einmal zurücklassen«, sagte Adam leise.
    »Dann nehmen wir ihn halt mit.« Energisch packte sie Carriere unter der einen Achsel und begann zu ziehen. Die Bewegung erzeugte ein tiefes Grollen in der Decke. Lea zerrte trotzdem an ihm weiter, bis Adam ihr Handgelenk umfasste und fortzog.
    »Nicht«, sagte er sanft.
    Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, beschimpft oder einfach nur geweint. Seine Traurigkeit setzte ihr unendlich mehr zu als jede aggressive oder arrogante Haltung, die er ihr gegenüber jemals an den Tag gelegt hatte.
    »Klettere bitte nach oben.« Adam kniete sich neben Carrieres Kopf und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. »Ich komme gleich nach.«
    Verzweifelt presste Lea die Lippen aufeinander, um den Wortschwall zu verhindern, der mit Gewalt nach draußen drängen wollte. Alles in ihr wollte anAdams Seite ausharren, dennoch kam sie seinem Wunsch nach. Jeder Schritt löste eine kleine Steinlawine aus, und als sie schließlich den unbeschädigten Teil der Decke erreichte, war sie schweißüberströmt. Gierig sog sie die Luft ein, was sie jedoch sofortbereute: Über der Decke war die Luft kühl und auf eine unangenehme Art verdichtet - sie verkleisterte ihr förmlich die Lungen.
    Sie streckte vorsichtig einen Arm nach oben und berührte die massive Höhlendecke. So nah! Was, wenn sie sich dort irgendwo in der Dunkelheit so tief absenkte, dass es kein Durchkommen gab? Leas Gedanken wanderten unwillkürlich zu dem rasch ansteigenden Wasser in der Zelle unter ihr.Wenn noch mehr Fels wegbrach, sehr viel mehr Felsen ...
    Automatisch schaute sie zu Adam hinunter, der immer noch neben dem Professor kauerte. »Adam«, sagte sie - mehr zu sich selbst, als an ihn gerichtet. Doch er sah zu ihr herauf, und sie konnte am Zucken seiner Schultern erkennen, dass es ihn drängte, ihr zu folgen.
    Als hätte er ihren unwillentlichen Lockruf ebenfalls gehört, schlug Carriere die Augen auf. Ganz langsam, als hebe sich ein Bühnenvorhang. Selbst auf die Entfernung und im Dämmerlicht erkannte Lea sofort, wer dort immer noch auf der Bühne stand.
    »Wag es ja nicht!«, fauchte der Dämon ihn an, und es klang wie ein uralter, stets erfolgreicher Befehl.
    Um Adams Mund zuckte es, und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Er senkte das eine Knie auf Carrieres Schulter und presste sie gegen den Stein. Dann verstärkte er den Griff um seinen Kopf und drehte ihn mit einer einzigen Kraftanstrengung zur Seite.
    Lea presste sich den Handrücken auf den Mund, als sie das Brechen des Genicks hörte. Ihre Zähne schlugen gegen die Lippen, und im nächstenAugenblick schmeckte sie Blut.
    Ohne zu zögern, stieß Adam Etienne Carrieres Körper ins Wasser. Dort trieb er kopfunter auf der Oberfläche und drehte sich langsam um die eigene Achse wie ein Blatt im See. Während Adam die Reste der Decke erklomm, die sich unter ihm in Staub auflöste, schluckte Lea hart und spannte ihren Kiefer an, bis er schmerzte. Als Adam geduckt an ihr vorbeikroch, streifte er sie leicht - es reichte aus, um sie aus ihrer Erstarrung zu befreien.
     

30. Dunkle Fluten
    Tatsächlich neigte sich die Decke der Höhle an einigen Stellen gefährlich tief herunter, so dass sie ausweichen und einen Umweg in Kauf nehmen mussten. Einen Teil der Strecke verbrachten sie auf dem Bauch robbend, wobei Felsvorsprünge ihr Haar streiften, sich ins Fleisch bohrten und Haut abschürften. All das
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