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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot
Autoren: Tanja Heitmann
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zustand.
    Wie ein Tänzer entglitt Carriere Adams Versuchen, seiner habhaft zu werden. Immer war er einen Tick schneller und entschlossener. Er nutzte jede sich bietende Gelegenheit, Adam einen seiner harten Schläge zu verpassen. Adam hingegen war vollends damit beschäftigt, ebendiese abzuwehren, während er gleichzeitig versuchte, Carriere zu umrunden. Im Gegensatz zu seinem Freund teilte er keine Schläge aus, und Lea kam der Verdacht, dass Adam trotz der außer Kontrolle geratenen Situation versuchte, den Professor in den Griff zu bekommen, ohne ihn zu attackieren. All dies geschah mit atemberaubender Schnelligkeit. Es war ein verwirrender, gewalttätiger Tanz. Und offensichtlich gelang es Adam nicht, die Führung zu übernehmen.
    »Geh zur Schleuse!«, schrie Adam atemlos.
    Lea dachte gar nicht daran. Während sie die beiden Kämpfenden im Auge behielt, suchte sie den Boden ab. Wo war es? Dann schnappte sie erschrocken nach Luft. Es war Carriere gelungen, Adam mit einem brachialen Schlag gegen Schläfe und Ohr ins Wanken zu bringen. Adam taumelte einige Schritte zurück und wäre beinahe über Maibergs Kadaver gestolpert. Er presste die Hand aufs Ohr und ließ den Kiefer aufklappen, als könne er so den Druck ausgleichen.
    Diesen Moment nutzte Carriere, um auf Lea zuzuhechten. In seinen Augen blitzte es siegessicher. Doch schon in der nächsten Sekunde warensie erfüllt von Überraschung, gefolgt von Schmerz. Carrieres Körper bebte, seine zitternden Hände nur einen Hauch von Leas Gesicht entfernt, als hätte er es soeben zärtlich umfassen wollen. Dann wurde er von einer unsichtbaren Hand zu Boden geschleudert.
    »Was glaubst du eigentlich?«, schrie Lea den bewusstlosen Professor an, während sie anklagend mit dem Elektroschocker auf ihn deutete. »Dass ich hier bloß dumm herumstehe, damit du mich in Schwierigkeiten bringen kannst? Ich bin kein leichtes Opfer, verdammt!«
    Benommen torkelte Adam auf sie zu und tippte den seltsam verrenkt daliegenden Carriere mit dem Fuß an. Als dieser sich nicht rührte, wollte Adam sich neben ihm in die Hocke niederlassen, kippte aber stattdessen nach hinten. Angeschlagen rieb er sich die Augen, ehe er sich wieder auf die Füße zu stemmen bemühte. Doch die Erschöpfung übermannte ihn, und er sank erneut kraftlos auf den Boden.
    Lea wollte ihm helfen, doch ein plötzlicher Tremor kostete sie fast das Gleichgewicht: Ein erneutes Erdbeben erschütterte den Raum. Entsetzt blickte sie sich um, während ihre Hände nach Halt suchten. Der Fußboden geriet ins Rutschen, das Bücherregal wurde von einem Felsbrocken verrückt, der sich durch die Betonwand schob. Ein Riss durchzog innerhalb von Sekunden die Decke, brachte die eine Hälfte zum Einsturz und begrub die Sitzgruppe samt Maibergs Leichnam und Schleuse unter sich. Die einzige noch funktionierende Leuchtröhre baumelte an einem Kabel und beleuchtete die Decke, deren Betonquader kaum noch von den wenigen Querträgern zusammengehalten wurden. Darüber klaffte Dunkelheit, ein Hohlraum, der sich zwischen Beton und Höhlendecke erstreckte.
    Ungläubig sah Lea sich um, während sich aufwirbelnder Staub in ihre Augen stahl. Splitterstücke von Beton hatten sich in ihrem Haar verfangen und die bloße Haut ihres Gesichts verletzt.
    Dort, wo der Fels die Wand durchbrochen hatte, schössen zu beiden Seiten Fontänen hervor. Zunächst versickerte das Wasser noch in den frischen Bodenspalten, doch dann, während Lea sich des Ausmaßes des Schadens bewusst wurde, bildeten sich rasch ausbreitende Pfützen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Wasser die durchtrennten Stromkabel erreichen würde, die mit der einen Hälfte der Decke heruntergestürzt waren.
    »Wie sollen wir jetzt nur zu dieser Garage kommen?«, fragte Lea tonlos. »Falls es sie überhaupt noch gibt.«
    »Wir klettern hoch und suchen uns den Weg durch das Labyrinth«, antwortete Adam, der den leblosen Körper von Etienne Carriere soeben schulterte.
    Sie beobachtete einen Augenblick lang, wie er versuchte, mit seiner Last aus der Hocke in den Stand zu wechseln. Obgleich ihr klar war, dass sie keine andere Möglichkeit hatte, hasste sie sich für die folgenden Worte: »Du wirst ihn zurücklassen müssen.«
    »Blödsinn.« Adam hielt den Kopf gesenkt, seine Knie zitterten vor Anspannung. Dennoch wollte es ihm einfach nicht gelingen, sich aufzurichten. Das sich ausbreitende Wasser berührte seine nackten Füße.
    »Adam, du bist zu erschöpft, und uns läuft die Zeit
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